Sie ist wieder da!
(wsj/kpk) – Wir schreiben das Jahr 2019. Weinkenner und Weinfreunde treffen sich im katholischen Vereinshaus, um Hochheimer Weine zu verkosten. Die im Jahr 2023 zur Rheingauer Weinkönigin gekrönte Hochheimerin, Viktoria Wolf, betritt das Podium als Weinprinzessin im Gefolge der damaligen Weinkönigin, Anna Hofmann.
Prof. Dr. Leo Gros präsentiert Weine mit Humor und reichlich Sachverstand, wiederholt einstreuend Laudationen für seine geliebte Ehefrau, die mehr als 50 Jahre ihm zur Seite steht.
Dann stirbt das Miteinander, die gemeinsame Freude am Leben und am Wein, die Anerkennung für die Arbeit der Hochheimer Winzerinnen und Winzer, erstickt durch die Beschränkungen in der Pandemie.
Seit dem November 2022 ist der Hochheimer Markt wiederbelebt, trifft auf eine durch die Pandemie veränderte Gesellschaft, auf zunehmend dem Alkoholgenuss kritisch gegenüberstehende Konsumenten.
Unterschiedliche Formate, Weine zu verkosten, versuchten sich zwischenzeitlich innerhalb des Marktgeschehens daran, der Weinprobe das Besondere, das gewisse Etwas anzuheften. Das Verkosten der Proben, während sich das Riesenrad dazu im Kreis dreht, das Oben und Unten vielleicht als Metapher dafür, dass nicht alle Weine den Geschmack der Probengemeinde treffen, jedoch mit dem Problem, das Hochgenuss und Stellung der Gondel nicht immer zueinander passen.
Nun wagt sich Peter Gebauer in der Nachfolge nach Klaus-Dieter Jung als Bürger- und Vereinsreferent an das Experiment, der Marktweinprobe im traditionellen Format wieder Leben einzuhauchen. Passend dazu greift er die bewährten Elemente auf, die der Präsentation der Hochheimer Weine langjährig innewohnten.
Die Marktweinprobe wird an zwei Abenden zur Teilnahme daran angeboten, am Marktfreitag und am Marktsamstag. Offeriert werden jeweils 14 Weine und ein Glas Sekt. Die Probenfolgen unterscheiden sich, wer die Vielfalt der Hochheimer Weine kennenlernen will, erwirbt im Vorverkauf Eintrittskarten für beide Proben. Der Eintrittspreis verdient mit 29 Euro die Würdigung, angemessen zu sein, sind gestiegene Kosten auch an den Weingütern nicht vorbeigegangen.
Musikalisch untermalt wird die Weinprobe durch die Salonmusiker, diesen unverwüstlichen Musikanten, die diesen unvergleichlichen dezenten Klang im Hintergrund schaffen.
Die Attraktivität der Marktweinprobe nach langjähriger Abstinenz scheint ungebrochen. Das katholische Vereinshaus bietet je Abend 125 Sitzplätze, von denen nur wenige unbesetzt bleiben.

Vorfreude auf den Beginn der Weinprobe bei den zahlreichen Gästen
Neuland betritt Gebauer gemeinsam mit der Hochheimer Winzerschaft in der Wahl des Probenleiters. Kein ausgewiesener Experte der Önologie, sondern Achim Munck, bekannter Tausendsassa in der Hochheimer Szene, Stadtführer, Kolpingfastnachter, Hobbyentertainer, der Alt und Jung bespaßt, führt durch die Probenfolge. Gebauer betont im Gespräch, dass die fachkundig geführte Weinprobe in den sozialen Medien allgegenwärtig sei. Achim Munck stünde dafür, Hochheimer Weine und Lokalkolorit perfekt miteinander verknüpfen zu können, was der Marktweinprobe ein exklusives Element verleihe. Die Hochheimer Winzerinnen und Winzer begegneten Gebauers Gedanken ohne Vorbehalte.

Probenleiter Achim Munck
Auf dem Podium eingerahmt wird Munck von den Hochheimer Weinmajestäten, die aktuell das Weinanbaugebiet repräsentieren. Pauline I., mit Familiennamen Warzecha, und ihre Prinzessinnen Emma Luisa Walther und Alma Schriewer vereinen in sich Fachwissen und Schlagfertigkeit, Humor und zuvorderst die Liebe zum Hochheimer Wein.

Weinkönigin Pauline I. und ihre Prinzessinnen gut gelaunt
Kritisch darf angemerkt werden, dass zu den Proben kleine Snacks gereicht werden. Nachlesbar für jeden in der Fachliteratur besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Wein und der Speise. Die unterschiedliche Intensität der Geruchs- und Geschmacksstoffe im Wein und den Speisen müssen aufeinander abgestimmt sein. Weinkennerinnen und Weinkenner meiden daher zur Weinverkostung die willkürliche Kombination von beidem, für das unverfälschte Probenerlebnis.
Die Probenfolge startet mit einem Spätburgunder, trocken ausgebaut, in der Qualität einer Spätlese und zudem noch im Barriquefass zur Flaschenreife gelangt.
Ein Barriquefass bezeichnet ein kleines Holzfass, das hauptsächlich aus französischer Eiche hergestellt und zur Reifung und Lagerung verwendet wird. Es hat typischerweise ein Fassungsvermögen von 225 Litern. Durch die Lagerung im Barriquefass nimmt der Wein besondere Aromen in sich auf, wie Vanille, Toast oder Gewürze, was eine feinere Struktur begünstigt. Barriquefässer sind besonders beliebt bei der Herstellung von hochwertigen Rotweinen. Die Holznote ist präsent, steigt der Probengemeinde in die Nase, bevor der erste Probenschluck des Abends den Weg auf die Zunge findet und den Gaumen hinabgleitet.
Es schließt sich ein weiterer Rotwein zur Verkostung an, ebenfalls ein Spätburgunder. Ein trockener Qualitätswein, prämiert mit der goldenen Preismünze durch die Landesweinprämierung, harmonisch duftend und samtig im Geschmack.
Die Qualitätsstufe Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (QbA) ist eine der grundlegenden Kategorien im deutschen Weinrecht. QbA-Weine stammen aus definierten Anbaugebieten und erfüllen bestimmte Mindestanforderungen hinsichtlich der Traubenqualität und des Mostgewichts.
Auf den Weg zu den Weißweinen in der späteren Probenfolge geleitet der Spätburgunder Rosé über. Das Rubinrot des Rotweines weicht der Lachsfarbe, die für den Roséwein typisch ist. Er wird gekühlt getrunken, ist ein Begleiter an lauen Sommerabenden.
Das Verfahren der Weinbereitung gleicht zu Beginn dem Verfahren, nach welchem Rotweine erzeugt werden, jedoch wird der Most von Traubenschale und Kernen bereits nach einer kurzen Zeit getrennt. Farbe und Aromen prägen sich weniger intensiv aus.
Begrifflich grenzen sich Roséweine vom Weißherbst dahingehend ab, dass der Weißherbst als geschützte Bezeichnung nur Trauben einer einzigen Rebsorte und einer Lage enthalten darf. Roséweine dürfen dagegen verschiedentliche Traubensorten beinhalten, die wiederum aus verschiedenen Lagen stammen.
Der erste zur Probe gereichte Weißwein bleibt auf dem Pfad der Burgundertraube. Deren Fruchtfleisch ist grünlich-weiß. Die Farbe der Schale entscheidet darüber, ob daraus Weiß- oder Rotweine entstehen.
Aufeinanderfolgend kredenzen fleißige und aufmerksame Ausschenkerinnen und Ausschenker, Weiß- und Grauburgunder, sämtlich dem Jahrgang 2024 zugehörig.
Der Grauburgunder, eine Mutation des Blauen Spätburgunders wurde ursprünglich als Ruländer bezeichnet, da der Kaufmann Johann Ruland aus Speyer sie im Jahr 1711 entdeckte und ihren Anbau kultivierte. International bekannt ist die Weißweinsorte auch als Pino Grigio.
Noch immer enthält die Probenfolge den Weinfreundinnen und Weinfreunden den Riesling vor. Stattdessen wartet eine Exotin darauf, verkostet und gewürdigt zu werden, ein feinherber Muskateller des Jahrgangs 2024.
Die Geschmacksangabe für einen Wein, feinherb zu sein, bezeichnet Weine die zwischen halbtrocken und lieblich liegen. Feinherbe Weine haben einen leicht süßlichen Geschmack, der etwas mehr Restzucker enthält als halbtrockene Weine.
Die Muskatellertraube ist eine aromatische Weißweintraube nicht gewisser Herkunft. Beeindruckend der Duft, der in die Nase aufsteigt. Die Restsüße passt zu den Aromen, durchaus ein tauglicher Dessertwein.
Danach gönnt der Probenleiter dem Publikum des Abends eine kurze Pause.
Der zweite Teil der Probe beginnt mit einem Sekt aus der Rieslingtraube, brut nature. Der Restzuckeranteil ist sehr gering, weniger als drei Gramm je Liter, ein prickelnder Einstieg in den zweiten Teil der Probe, der durch den Riesling dominiert ist.
Die dargebotenen Rieslinge gehören den Jahrgängen 2022 und 2024 an. Die Trauben reifen an Rebstöcken, die teilweise mehr als 30 Jahre alt sind, weshalb zwei zur Probe angestellte Weine zusätzlich die Bezeichnung „Alte Reben“ führen. Sie präsentieren sich in der Säure zurückhaltend, sind daher angenehm zu trinken, verlieren darüber jedoch nicht ihre Harmonie als gelungene Weißweine.
Besonders aus der Probenfolge hebt sich der Krönungswein der amtierenden Weinkönigin Pauline I. heraus. Er wird an beiden Abenden zur Verkostung gereicht. Selbstredend lässt es sich Majestät nicht nehmen, ihren Wein persönlich vorzustellen und zu beschreiben, verzückt in Wort und Mimik. Dem Weinvolk bleibt unübersehbar in Erinnerung, dass beide zueinander passen.
Tradition ist das gemeinsame Singen des Hochheimer Liedes. Stimmgewaltig intoniert durch die Probengäste, begleitet vom Salonorchester, das ebenfalls nicht hinwegzudenken ist.
Danach spricht der Probenleiter allen seinen Dank aus, die daran mitwirkten, dass die festliche Marktweinprobe wieder einen Platz im Veranstaltungskalender des Hochheimer Marktes findet.
Den krönenden Abschluss bildet ein trockener Riesling aus der Lage Königin Victoriaberg, dem Weinberg, den einst die britische Königin besuchte, zu deren Ehren die Weinbergslage benannt und ein weithin sichtbares Denkmal aufgestellt wurde.
Die festliche Marktweinprobe, die präsentierten Weine in ihrer geschmacklichen Vielfalt, die Begegnungen beim Wein, der Austausch über das eigene Geschmackerlebnis, all das beschreibt mit Gewissheit, warum ein solcher Abend das Marktgeschehen bereichert.
Bildnachweis alle Bilder: Dr. Matthias Göring







