Kirschen oder Schokolade zum Merlot
Die Weinproben anlässlich des 533. Hochheimer Marktes haben allen Trends und Veränderungen widerstanden, die das moderne Feiern ausmachen.
In guter alter Tradition treffen sich Weinliebhaber und Weinkenner an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im katholischen Vereinshaus und verkosten Weine heimischer Herkunft.
Wie in all den Jahren sind Hochheimer Weingüter mit Preisen bedacht, in überregionaler Anerkennung ihrer hochwertigen Produkte, die sie aus den Tiefen ihrer Kellergewölbe hervorbringen. Das zu erwähnen gehört zu einer Eröffnung der Weinproben, es steigert die Vorfreude.
Selbstverständlich fehlt bei einem gesellschaftlichen Ereignis dieser Güte die politische Prominenz nicht. Sie wird repräsentiert durch Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Weltin in Vertretung aller anwesenden Mandatsträger.
Mindestens gleichbedeutend sind die Unternehmen zu nennen, welche die Marktweinproben erst ermöglichen. Mit finanzieller Unterstützung der Taunus Sparkasse, der Main-Taunus-Recycling GmbH und der Selters Mineralquelle kann, das sei vorweggenommen, eine vorzügliche und facettenreiche Probenfolge zusammengestellt werden, können die Salonmusiker den Raum mit Hintergrundmusik beschallen und vieles mehr.
Christoph Presser hält Einzug umrahmt von Weinmajestäten, die ihn für die Dauer der Probe flankieren. Die charmanten Damen, die zwischen den Proben Grußworte an das Weinvolk richten, folgen dem modernen Trend, beschränken ihre Kleidung nicht auf das einstmals obligatorische Dirndl. Das verleiht dem Bühnenbild Farbe.
Presser, erfahrener Probenleiter, Mitarbeiter des Weinbauamts in Eltville, somit uneingeschränkt vom Fach, gibt der Probe eine Überschrift. Sie solle eine kulinarische Weinprobe sein. Immer wieder streut er Vorschläge in die Erläuterungen zu den einzelnen Proben ein, wie der gerade im Glas befindliche Wein mit einer Speise zu kombinieren sei. Aber auch die kreative Nutzung des Getränkes selbst, etwa als Aperitif, mit Wein in gefrorener Form, beschreibt er anschaulich. Christoph Presser macht Appetit beim Probieren.
Auch die Art, wie er die Weine vorstellt, kommt bei den Gästen gut an. Geradezu ruhig und besinnlich trägt er zu den einzelnen Weinen vor, holt seine Zuhörer immer wieder zurück, da er nicht versucht, sie zu übertönen, wenn der Alkohol die Zunge lockert und Tischgespräche ihre eigene Dynamik entwickeln.
Die Probenfolge selbst offenbart, dass Klimaveränderungen zwischenzeitlich Rebsorten in unseren Breiten gedeihen lassen, die vor einigen Jahren nur auf anderen Kontinenten und in südlicheren Regionen beheimatet waren. Erst ab der sechsten Probe hält der weiße Riesling Hof, davor nehmen Rotweine und andere Weißweinreben Platz.
Beginnend mit einem Merlot, einer alten französischen Rebsorte aus dem Bordeaux, folgt ein ansprechender Reigen aus Weinen der Hochheimer Winzer. Der Merlot erfreut sich auch in Hochheimer Weinbaubetrieben zunehmender Beliebtheit. Er ist ein zeitnah trinkreifer Rotwein, der sowohl isoliert als auch als Speisenbegleiter eine gute Figur abgibt. Presser würde ihn mit einer Soße kombinieren, die Kirschen oder gar Schokolade enthalten kann, da er in beiden einen Gleichklang der Aromen feststellt.
Der Spätburgunder folgt. Auch sein Auftritt ist zwischenzeitlich vielfältig, vom klassischen Rot über die Lachsfarbe eines Weißherbst oder Rosé bis hin zum fast weißen Ton des Blanc de Noir, der dem roten Wein in der Reihe nachfolgt.
Auch der Chardonnay, er markiert den Eintritt in die Weißweinprobe, ist eine Errungenschaft sich wandelnder klimatischer Bedingungen. Die populärste Rebsorte der Welt entfaltet auf dem Boden der Hochheimer Gemarkung ein eigenes Geschmacksbild und unterscheidet sich damit deutlich von dem Chardonnay aus der neuen Welt. Er ist es wert, sich ihm zuzuwenden.
Der Riesling wird von zahlreichen stillen Helferinnen und Helfern, die Probe um Probe in die Gläser füllen, kredenzt. Die nachfolgenden Proben lassen seine Qualität, seine Reife, sein Potential erkennen. Zu Recht genießt die Rebe weltweite Anerkennung im Allgemeinen und Hochheimer Rieslinge im Besonderen.
Weinkönigin Rebecca I. stellt ihren Krönungswein selbst vor und damit das Weingut ihres Onkels, das Weingut Dienst. Presser erläutert ergänzend, dass die Bezeichnung Kabinett wohl aus den zukünftigen Weinklassifizierungen entfallen werde, geht es nach dem Willen einer europäischen Richtlinie. Die Reihe der trockenen Weißweine beschließt ein Hochheimer Kirchenstück, klassifiziert als Großes Gewächs. Nur wer hohe und gesetzlich bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllt, darf darauf hoffen, dass einem Wein diese Bezeichnung zuerkannt wird.
Abgerundet wird die Probenfolge durch die milden und edelsüßen Rieslinge. Vor der Auslese darf jedoch der gemeinsame Gesang nicht fehlen, das Hochheimer Lied in der traditionellen Variante, nicht in der kürzlich von Heribert Schlosser neu geschaffenen modernen Form. Mit Inbrunst schmettern die Gäste das Lied in den Saal, weinselig und tief beindruckt von Wein, Probenleiter und dem royalen Glanz der Prinzessinnen und Königinnen.
Nicht vergessen werden darf schlussendlich der stille und loyale Diener, ohne den seit Jahrzehnten keine Weinprobe zustande käme. Klaus-Dieter Jung, der souveräne „Eventmanager“ im Rathaus, bereitete alles zum Besten vor. Es fehlte an nichts, weil Jung an alles denkt.