E’ Stück’che Blech mit bunte Staa
Mit ordensbehängter und dementsprechend stolz geschwellter Brust zieht so mancher Mainzer Gardist in das Konfettigewitter der närrischen Tage; aber auch so mancher „Zivilunke“ zeigt sich beim Besuch einer närrischen Sitzung nach dem so genannten Pausenempfang gerne im strahlenden Glanze eines gerade verliehenen Kampagneordens.
Orden gehören zur Mainzer Fastnacht wie die Hofsänger und die Schnorreswackler, wie der Bajazz und der Till, wie der Narrhalla-Marsch und ein ausdrucksstarker Tusch. Gedanken über den Ursprung von Orden und deren Zielsetzung in der fünften Jahreszeit haben – so steht zu vermuten – sich nur die wenigsten gemacht. Durch den Orden identifiziert sich der Narr mit seiner Korporation und er trägt ihn als sichtbaren Beweis für sein großes Engagement in „der herrlichsten Nebensache der Welt“.
Die Geschichte der Karnevalsorden begann mit dem organisierten Karneval in Köln. Alten Protokollen ist zu entnehmen, dass die Karnevalsprinzessin Venetia im Jahre 1824 auf einem Besuch einen Orden mitbrachte und aus Dank ebenfalls einen Orden umgehängt bekam. In alten Darstellungen sind bereits Sitzungspräsidenten zu erkennen, die viele Orden übereinander trugen. Auch in Mainz ist die Geschichte der närrischen Orden so alt wie die organisierte Fastnacht selbst, die hier bekanntlich 1838 begann. In diesem Jahr erhielten zwölf „Kamelritter“ die ersten Mainzer Fastnachtsorden. Auf dem achtzackigen Stern aus buntem Glanzpapier prangte ein Trampeltier.
Eines der wesentlichen Ziele der Ordensverleihungen im Kölschen Fastelovend oder Fasteleer und in der Mainzer Fastnacht war es, das lange Zeit ausschließlich dem Adel und dem Militär vorbehaltene und zelebrierte Ordenswesen zu persiflieren. Die Auszeichnungen waren in Köln dezidiert als Parodie auf die vom Rheinländer verabscheute Ordensmanie der Preußen gedacht; in Mainz, der alten Garnisonsstadt und von 1815 bis 1866 Bundesfestung mit wechselnden Garnisonstruppen, symbolisierte der Karnevalsorden eine Geringschätzung militärischen Benehmens und Pomps. Er stellte eine Persiflage auf die staatlichen und militärischen Orden, Schärpen und Brustbänder des Militärs dar.
Doch nach kurzer Zeit gab es eine wahre Ordens-Renaissance. Viele Orden sahen doch tatsächlich wieder aus, als seien sie wirklich welche. Bis zum Ersten Weltkrieg waren sie kaum von militärischen Auszeichnungen zu unterscheiden. Erst danach wurde die Gestaltung der Orden origineller und auf den überlieferten Exemplaren ist eine einsetzende närrisch kreative Phantasie zu beobachten. Gekreuzte Schwerter ersetzte man durch Pritsche und Narrenzepter, der deutsche Adler musste der Eule Platz machen. Vor allem fanden lokale Motive vermehrt Einzug bei der Ordensgestaltung.
Der Karnevalsorden ist mittlerweile zu einem begehrten Sammelobjekt geworden. Heute sind die Orden nicht selten kleine Kunstwerke – im Prinzip also von der ursprünglichen Bedeutung wiederum weit entfernt. Kein Wunder, dass es Pseudo-Fastnachter gibt, die mit allen möglichen Tricks versuchen, in einer Kampagne so viele der begehrten Orden „abzustauben“, dass sie ihren Rücken noch behängen müssten, da die Brust allein nicht mehr ausreicht. Und das alles ohne Nachweis jedweden fastnachtlichen Tuns. Dabei soll sich jeder Narr immer wieder bewusst machen, ein Orden ist nicht mehr als „E’ Stück’che Blech mit bunte Staa“
Text: Dr. Diether Degreif
Bild: Die aktuellen Orden der Kampagne 2019 der Mainzer Prinzengarde und der Kölner Prinzengarde
Bildnachweis: Klaus Peter König