Interview mit Bernd Blisch – Bürgermeister Flörsheim
Fragen an Dr. Bernd Blisch, den neuen Bürgermeister der Stadt Flörsheim am Main
WSJ: Vielen Dank, dass sie sich so kurzfristig Zeit für uns genommen haben
BB: Gerne
WSJ: Geben Sie uns bitte einen kurzen Überblick über sich
BB: Am 16.12.1962 in Flörsheim geboren, in dem Krankenhaus, das vor einem Jahr geschlossen hat. Grundschule in Flörsheim, Gymnasium bis zum Abitur in Hofheim, Studium der mittleren und neueren Geschichte in Mainz und Birmingham. An der Uni Mainz als „HiWi“ (Hilfswissenschaftler) und später als Dozent gearbeitet. Dann lange im Kulturamt Flörsheim, zuletzt als Leiter aktiv. 2001 nach Wiesbaden gewechselt, um das damals an der Wilhelmstraße geplante Stadtmuseum zu leiten. Jetzt als Kandidat des Viererbündnis von CDU, Grüne Alternative Liste Flörsheim (GALF), Freie Bürger sowie FDP als Bürgermeister gewählt und seit dem 01. November 2018 im Amt.
WSJ: Sie sind also Historiker von Beruf. Ist das für einen Bürgermeister in Hessen nicht eher unüblich?
BB: Könnte man meinen, aber Patrick Kunkel, der Bürgermeister von Eltville war mein Nachfolger als HiWi am historischen Institut in Mainz. Der hat ja damals den Comic, „Karl der Spätlesereiter“ erfolgreich mitgestaltet. Wir haben uns eben erst am Rande der Konferenz zum Biosphärenreservat Taunus-Rhein-Main getroffen. Patrick ist ja schon in seiner 2ten Amtszeit und hat, wie ich denke, sehr beeindruckende Arbeit für Eltville geleistet. Dann gibt es noch meinen Mitstudenten Sascha Weber, den Bürgermeister von Wald-Michelbach im Odenwald, der war auch in Mainz.
WSJ: Das historische Institut in Mainz ist ja die reinste Kaderschmiede für Bürgermeister.
BB: Na ja. Aber sie sehen, gar nicht so unüblich.
WSJ: Was sind denn Ihre wichtigsten Ziele als Bürgermeister? Was möchten Sie erreichen?
BB: Zunächst mal, also kurzfristig in der Stadtpolitik, setze ich mich dafür ein, wieder besser miteinander umzugehen. Die Auseinandersetzungen der letzten Zeit waren nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Ich möchte meinen Beitrag leisten, dass wir alle wieder einen normalen Umgang finden. Dafür müssen wir alle Leute einbinden. Es gibt ein paar Aufgaben in Flörsheim, die sollten wir gemeinsam auf ein breites Fundament stellen, sonst wird das nicht gut.
WSJ: Warum glauben sie, dass Ihnen dies gelingen kann?
BB: Der gemeinsame Wahlkampf mit so unterschiedlichen Parteien von Grün-Alternativ bis Freie Wähler, der FDP und der CDU hat auch verbunden. Jetzt gilt es, die SPD einzubinden.
WSJ: Welche Aufgaben brauchen die breite Basis?
BB: Die Lösungen für das geschlossene Krankenhaus. Mit schmaler Mehrheit für ein Ärztehaus oder Gesundheitszentrum zu stimmen, wäre sicherlich nicht gut. Das Thema der Umgehungsstraße in Weilbach geht mit einer breiten Zustimmung auch zügiger voran. Das Stadtentwicklungskonzept soll auch möglichst viele Bürger beteiligen.
WSJ: Was ist für die Stadtentwicklung geplant?
BB: Bei der baulichen Entwicklung der Stadt gibt es eine große Unzufriedenheit. Viele meinen, dass bisher nicht das große Ganze im Blick war, sondern eher ein bisschen hier und ein bisschen da. Jetzt wollen wir ein Stadtentwicklungskonzept mit externer Hilfe erarbeiten. Hier sind folgende Fragen besonders relevant: Wie gelingt es, dass alle Ortsteile ihren Charakter bewahren können und doch zu einem Ganzen gehören? Wie stark bindet man die Bürger ein? Wie gelingt es, die Bürger zu mobilisieren, damit die sich für ihre Stadt engagieren?
WSJ: Wie meinen Sie das?
BB: Wenn man sieht, wie Eltern sich engagieren können, um einen Spielplatz zu erhalten, wie kürzlich in Weilbach, dann wollen wir das unterstützen. Jeder, der sich engagiert, soll spüren, das ist unsere Stadt, das ist meine Stadt. Das ist Identifikation mit der Stadt.
WSJ: Welche Aufgaben sind die Schwierigsten oder anders gefragt, was ist die Achillesferse an Ihrem Job?
BB: Da sind sozusagen zwei Achillesfersen:
1) Zum einen ist es der Haushalt. Hier stellt sich die Frage, wie kann man klarkommen mit den Gegebenheiten, die vorhanden sind. Leider kann man die Einnahmen nicht von jetzt auf gleich erhöhen. Die Resultate von gescheiter und gezielter Gewerbeansiedlung und Ansiedlungspolitik kann man nicht aus dem Hut zaubern. Das bedeutet, wir müssen Geld sparen, wo immer es geht. Der Kreis fordert schließlich einen ausgeglichenen Haushalt, und auch die Teilnahme an der Hessenkasse verlangt Disziplin in der Haushaltsführung. Die Ultima Ratio ist dann die Steuererhöhung. Ich möchte aber auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten für die Aufgaben der Stadt finden. Vielleicht bin ich auch deshalb gewählt worden!
WSJ: Inwiefern?
BB: Weil ich als Mitgründer und als Verantwortlicher der Bürgerstiftung auch immer alternative Finanzierungen finden musste. Die Herausforderung der Aufgabe wird es sein, den Haushalt auf solide Füße zu stellen, zügig einzubringen und sich auch mal etwas leisten zu können.
2) Die zweite große Herausforderung ist der Verkehrslärm und die Verkehrsbelastung. Hier hat sicherlich die Umgehungsstraße Weilbach die größte Priorität. Wenn es gelingt, in meiner Amtszeit den ersten Spatenstich für die Umgehungsstraße zu machen, dann sind wir gut vorangekommen.
WSJ: Waren Sie mal auf einer Montagsdemo am Flughafen?
BB: Nein, ich frage mich, wie komme ich an die Entscheider ran, die Verbesserungen bewirken können. Aber die Demos sind und waren wichtig, um in Erinnerung zu bleiben, schließlich wurde uns ja gesagt, dass Wirbelschleppen in unserer Überflughöhe einmal in zehn Millionen Jahren Schäden an Dächern hinterlassen können. Jetzt wissen wir leider, dass es viel häufiger vorkommt. Das Thema ist immer aufgeheizt. Da wird schnell vom Blutgeld von Fraport gesprochen. Ich bin aber trotzdem dafür, von Fraport Geld zu verlangen, z.B. um unsere Schulen in den Zustand versetzen zu können, damit guter ungestörter Unterricht stattfinden kann.
WSJ: Sind Sie eigentlich Fassenachter in der Fassenachtshochburg?
BB: Ich bin in keinem Verein aktiv. Aber als Bürgermeister bin ich automatisch Vorsitzender des Großen Rates des FNC. Viele Reden werde ich aber nicht halten. Ich bin kein Kind von Traurigkeit, früher bin ich sogar als Klarinettist bei Umzügen mitgelaufen. Das war in Mainz ganz schön anstrengend, die Klarinette eignet sich nicht so gut für feuchtes Wetter.
WSJ: Haben Sie die Aktionen für Deniz Yücel unterstützt?
Ja, ich habe auf den Veranstaltungen auch geredet. Nicht alle meine Parteifreunde haben das gut gefunden. Aber ich habe das ganz im Sinne Voltaire’s gesehen: Ich kann Ihren Worten nicht zustimmen, aber ich kämpfe dafür, dass Sie sie sagen dürfen.
Ich habe Deniz Yücel zwischenzeitlich auch zweimal getroffen.
WSJ: Haben Sie ein Schlusswort für unsere LeserInnen?
BB: Ja, unsere Stadt direkt am Main hat viel zu bieten. Wenn es gelingt, alle Interessen unter einen Hut zu bringen, damit wir gemeinsam an einem Strang ziehen, lohnt es sich für die Bewohner der Stadt. Es gibt Hoffnung trotz schwieriger Haushaltslage!
WSJ: Vielen Dank für das offene und freundliche Gespräch und viel Erfolg bei Ihren Plänen.