Not macht unternehmerisch
Ein Virus jettet mit uns um die Welt und besiegt unser Leben. Wenn wir Glück haben, besiegt es nur das emotionale und ökonomische Leben. Aber weil ein Leben alles wert ist, müssen wir weiter wirtschaften, denn sich dagegen zu wehren, kostet täglich mehr Geld. Hier zeigt die garnicht mehr soziale Marktwirtschaft ihre häßliche Fratze.
Große Worte für den Einzelhändler um die Ecke und den solide wirtschaftenden Handwerker, den Freiberufler, alle in kleinstädtischen Strukturen unternehmerisch Tätigen.
Für sie ist wirtschaftliches Überleben konkret, das Virus verdrängen sie, denn ergreift es von ihrem Körper Besitz, ist vermutlich alles aus.
Der Kunde, der Kunde ist die Rettung, denn ihn gibt es noch und auch er möchte leben, sein Konsumverzicht ist erzwungen, nicht gewollt. Ihn muss ich erreichen, denn zu mir kommen darf er nicht, ich darf ihn nicht in meiner gewohnten Umgebung empfangen, dort wo ich stark bin, auf meinem Terrain, wo ich überzeugend bin.
E-Mail, Instagram und whatsapp heißen plötzlich die Kanäle, auf denen der Kunde schreibt, was er wünscht. Alles elektronisch, alles Internet. Sollten ortsansässige Händler und Dienstleister sich nicht gerade dagegen wehren? Jetzt sind sie ein Teil davon, quasi mittendrin. Der Kunde bestellt beim örtlichen Händler elektronisch und die Bestellung soll angeliefert werden. Und der Kunde ist selbstbewusst, denn ein bisschen Preisnachlass müsste wohl drin sein, schließlich würde die Kasse ohne seinen Kauf oder seine beauftragte Dienstleistung garnicht klingeln.
Und die unternehmerischen Erlebnisse dieser Tage bleiben besondere. Wer die Dienstleistung am Kunden als Teil einer umfassenden Kundenbetreuung verstanden hat und danach handelt, kann seine Mitarbeiter beschäftigen, verdient seine Kosten und es bleibt sogar etwas übrig. Aber flexibel muss er sein, Ladenöffnungszeiten, die den Kundenkontakt begrenzten, bestehen nicht mehr. Gerne nimmt der Kunde seine Ware oder Dienstleistung an der Haustüre auch am Abend entgegen.
Das ist eine gute, eine ungeahnte Erkenntnis für die kreativen und engagierten Unternehmer und eine desaströse für diejenigen, die dem Trend nicht folgen. Wer jetzt Wege findet, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, der ist im Geschäft und bleibt es auch. Dabei werden Rücklagen geschont, weil Geld verdient wird. Während die einen nach der Krise eigene finanzielle Grundlagen nutzen werden, um die neue Geschäftsidee auszubauen, zahlen die anderen Kredite zurück.
Die ewiggestrigen, die dem stationären Einzelhandel in den bestehenden Strukturen eine Zukunft voraussagten, blickten in die falsche Glaskugel. Der Kunde wird auch im Umgang nach der Krise mit dem kleinstädtischen Einzelhändler oder Handwerker nicht mehr akzeptieren, dass er nur in der Krise wert war, sich umfassend um ihn zu bemühen. Mit dem eigentlichen Kauf oder dem erteilten Auftrag werden weitere Annehmlichkeiten verbunden bleiben müssen. Die unternehmerische Kreativität ist herausgefordert.
Insbesondere die Einzelhändler werden kritisch zu prüfen haben, ob es Ladengeschäfte und der damit einhergehenden Fixkosten in der bisherigen Dimension bedarf, um den Kunden da hinein zu locken. Das Produkt und die Wertschätzung ihm gegenüber schufen in schwieriger Zeit Kundenbindung, auch ohne Anlaufstelle. Der Kunde konsumierte, weil ihn das Angebot im Internet dazu anregte und er orderte auch darüber.
Kommunalpolitische Arbeitskreise, welche seit Jahren ergebnislos über die Belebung der Innenstadt sinnieren, werden sich dem Konsumverhalten in der Krise als völlig neue Erkenntnis nicht entziehen können. Einzelhändler werden neue Wege gehen müssen, um zukunftstauglich zu sein. Es war das mit uns hier gelandete Virus, welches uns das schmerzhaft in allen Belangen offenbarte.