Stadtverordnetenvorsteherin Weltin stellt die Vertrauensfrage – Irritationen in der Zusammenarbeit mit Bürgermeister Westedt

Claudia Weltin

Der Korken flog aus der Flasche der Emotionen. Es gärte wohl schon länger in Claudia Weltin. Jetzt sah sie sich veranlasst, zu Beginn der letzten Stadtverordnetenversammlung des Jahres eine persönliche Erklärung abzugeben. Darin kritisierte sie deutlich, dass sie in ihrem Amt als Vorsteherin der Stadtverordneten instrumentalisiert werden solle, um anderen Interessen, die nicht diejenigen der Stadtverordneten seien, zu dienen.

Weltin ging so weit, dass sie ihr Amt als Stadtverordnetenvorsteherin zur Verfügung stellen würde, wenn die Art und Weise ihrer Amtsführung anderen Ansprüchen nicht mehr genüge. Es müsse ihr nur gesagt werden, so ihre Offerte.

SPD, Bündnisgrüne als auch FWG pflichteten Weltin bei, als dass sie ebenfalls das Vertrauen in das Handeln des Bürgermeisters derzeit als angegriffen empfänden. Gleichzeitig bestärkten sie Weltin in ihrer Amtsführung.

Adam Bösz (CDU) versuchte, den Konflikt zu überspielen, indem er aufforderte, zur Sacharbeit zurückzukehren. Weltins Mimik war anzusehen, was sie von dem Redebeitrag hielt, und das trotz Maske.

Schon seit einiger Zeit läuft es in der Zusammenarbeit zwischen den Stadtverordneten und Bürgermeister Westedt unrund. Wer in den letzten Wochen die Stadtverordnetenversammlung besuchen wollte, stand wiederholt vor verschlossenen Türen.

Anlass waren die zeitlich ausufernden Zusammenkünfte des Präsidiums. Dem Gremium gehören die Fraktionsvorsitzenden der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung an, ebenso die Stadtverordnetenvorsteherin, Claudia Weltin, ihre Stellvertreter sowie der Bürgermeister und der Erste Stadtrat. Regelmäßig trifft sich das Präsidium, um die anstehende Sitzung der Stadtverordneten organisatorisch und inhaltlich vorzubereiten. Das ist eigentlich Routine, nicht jedoch in der jüngsten Vergangenheit. Wiederholt war zu hören aus den Reihen der Stadtverordneten, das Vertrauensverhältnis zum Bürgermeister sei beschädigt. Lautstärke und Wortwahl hätten telefonisch geführte Kontroversen bestimmt.

Die wechselseitigen Irritationen über den jeweils anderen sollen wohl den Wirrungen um den Herbstmarkt und letztlich seiner Absage entsprungen sein. Erinnert sei daran, dass ein offener Brief einiger Fraktionsvorsitzender für Außenstehende nachlesbar Unverständnis äußerte, einen solchen Markt in den Wochen der Pandemie abzuhalten. Und sie forderten eindeutig den Bürgermeister auf, den Herbstmarkt abzusagen.

Westedt fühlte sich ultimativ zur Absage durch die Verfasser des offenen Briefes genötigt, zumal diese wohl in fernmündlichen Gesprächen mit ihm ein solches Ultimatum auch formulierten. Westedt seinerseits, nicht im Rathaus anwesend, da in Urlaub, ließ es aus der Sicht der Fraktionsvorsitzenden auf den Ablauf des gesetzten Zeitlimits ankommen. Erst in letzter Sekunde folgte er dem Druck der Kommunalpolitik und nahm den Herbstmarkt aus dem Veranstaltungskalender. In der folgenden Präsidiumssitzung muss Westedt wohl seine Befindlichkeiten in der Sache deutlich formuliert haben.

Als jetzt angesichts der umfangreichen Tagesordnung eine Stadtverordnetenversammlung an zwei aufeinander folgenden Abenden stattfinden sollte, unter anderem, um den städtischen Haushalt zu verabschieden, versuchte Westedt die Retourkutsche. In diesen Tagen, so seine Ansicht, seien Zusammenkünfte eigentlich zu vermeiden und wenn sie unvermeidbar seien, dann sollten sie so kurz wie möglich gehalten werden.

Mit diesem Ansinnen trat er an die Erste Bürgerin der Stadt heran und hatte auch eine konkrete Idee, an welcher Stelle erhebliche Zeit in der Dauer einer Stadtverordnetenversammlung einzusparen sei. Die Haushaltsreden sollten entfallen und nur in Schriftform zum Protokoll gereicht werden. Dem traten die Fraktionsvorsitzenden vehement entgegen. Die Haushaltsreden gehörten zu den herausgehobenen ihrer Art, da sie eng verknüpft sind mit dem sogenannten Budgetrecht des Parlaments. Darauf wollte keine der Fraktionen verzichten, zunächst jedenfalls.

Dann kam Constantin Cattepoel (FDP) auf elektronischem Wege daher und räumte seine vorher eingenommene Position ab. Auch er sei jetzt dafür, auf die Haushaltsreden zu verzichten, denn es wäre wichtig, ein überzeugendes Signal in die Hochheimer Bevölkerung zu senden, schnellstmöglich wieder nach Hause zurückkehren zu können, was exakt der Position des Bürgermeisters entsprach.

Erneute Rundrufe in den Kreis der Fraktionsvorsitzenden bekräftigten, dass ein Verzicht auf den Vortrag der Haushaltsreden nicht zur Debatte stehe. Weltin äußerte sich in der Stadtverordnetenversammlung dahingehend, dass das wiederholte Telefonat mit Westedt, um ihm die Sichtweise der übrigen Fraktionsvorsitzenden mitzuteilen, aus ihrer Sicht weder in Tonlage noch Wortwahl akzeptabel gewesen sei.

Ungeachtet der umfangreichen Tagesordnung nahmen sich jetzt die Stadtverordneten die Zeit, auf die persönliche Erklärung der Stadtverordnetenvorsteherin einzugehen, und ihr mehrheitlich zur Seite zu springen.

Angesichts der bevorstehenden Wiederwahl Westedts als Bürgermeister und der geäußerten Vermutung der Stadtverordneten, dass sich auch die Zusammensetzung des Stadtparlamentes nicht grundlegend ändern werde, streben beide Seiten für die Zukunft eine deutliche Verbesserung der Zusammenarbeit an.

Titelbild: Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Weltin

Bildnachweis: Stadt Hochheim

 

 

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