Weinprobenkabarett – Die Marktweinprobe überzeugt mit Wein und Humor
Es ist ungewöhnlich, den Bericht über die Marktweinprobe mit ihrem Ende zu beginnen. Wäre der Probenleiter mit den ihn begleitenden Weinmajestäten aus dem Saal des katholischen Vereinshauses ausgezogen, alle Besucher hätten zu seiner Ehre Spalier gestanden und ihm zugejubelt. Die Gäste im nahezu ausverkauften Saal faszinierte die Weinprobe. Sie beklatschen immer wieder eine fast kabarettreife Darbietung der Probenfolge. Die zur Verkostung angebotenen Weine erlebten für sich eine Präsentation in wohltuender und erheiternder und ausnehmend kurzweiliger Art.
Prof. Dr. Leo Gros, der Probenleiter, auf den ersten Blick das Bild eines an Lebensjahren und Weisheit gereiften Hochschullehrers der Fachrichtung Chemie. Nicht groß an äußerer Statur, aber reich an Erfahrung im Umgang mit Wein und belesen in der Weltliteratur. Auf seinem Weg durch den Saal zur Bühne wird er von der Hochheimer Weinkönigin Anna Hofmann und ihren Prinzessinnen Jana Steinmetz und Victoria Wolf eskortiert, da sie ihn an Körperlänge überragen. Fast mutet es an, als beschützten sie ihn.
Bereits die ersten begrüßenden Worte beeindruckten die Gästeschar. Der Probenleiter beherrscht die Mundartsprache, er ziert sich nicht das zu offenbaren. Seine erworbenen Titel übersetzt er in humorvoller Selbstironie, zieht das Publikum damit für den weiteren Abend auf seine Seite. Der Doktortitel sei kein akademischer Grad, sondern nur die Abkürzung für „Durchlauferhitzer Riesling“. Er habe zahlreiche Selbststudien an unterschiedlich gekühlten Weinen durchgeführt. Die Austrittstemperatur sei immer konstant und entspreche erstaunlicherweise immer der Körpertemperatur.
Im späteren Verlauf der Probe beschreibt der seine Rolle als Probenleiter nochmals, untermalt vom herzhaften Lachen der Weingenießerinnen und -genießer. Er sei das kulturelle Feigenblatt, damit alle Anwesenden in Ruhe Wein trinken können.
Zwischen den Proben schwärmt er liebevoll und romantisch von seiner Frau. Mit ihr verbinden ihn mehr als fünf Jahrzehnte gemeinsame Zeit.
Natürlich wurden auch Weine probiert, vielfältig in Geschmack und Aromen, zusammengestellt in der Abfolge vom Probenleiter. Das Angebot umspannte die Jahrgänge 2009 bis 2018. Auch die unterschiedlichen Rebsorten offenbaren eine Vielfalt in den Kellern der Hochheimer Winzerinnen und Winzer.
Die Probenfolge eröffnete eine Gewürztraminer Auslese des Jahrgangs 2018, trocken ausgebaut aus dem Weingut Dienst. Es ist ein pikanter, körperreicher Wein mit dem Duft, der die Weingemeinde trennt. Die einen mögen ihn, die anderen verweigern sich seinem Genuss. Gleichwohl ein gelungener Wein, dessen Aromen nicht übersättigen.
Der vorzügliche Service, der den gesamten Abend die Weine ausschenkte, verdiente sich ein besonderes Lob. Die Ausschenkerinnen und Ausschenker geizten nicht beim Füllen der Gläser, agierten in den dicht bestuhlten Reihen achtsam und durften zu Recht am Ende der Weinprobe das gewährte Trinkgeld unter sich aufteilen.
Zum Übergang auf den Rotwein neutralisierte ein natürliches Mineralwasser die Probengläser.
Der prämierte Spätburgunder des Jahres 2015 aus der Lage Hölle des Weinguts F.J. Petry, im Holzfass gereift, zeigte sich von seiner trinkreifen Seite. Die Holznote gut eingebunden, in Farbe und Blume die Eigenheiten des Spätburgunders repräsentierend, machte er Lust auf mehr.
Dazu im Kontrast der Spätburgunder des Jahres 2016 aus dem Weingut Künstler, gewonnen aus den Trauben der Lage Stein. Trotz der kleinen Probengläser offenbarte er seine ganze Kraft, die in ihm steckt. Eigentlich möchte er noch in Ruhe gelassen werden. Gunter Künstler setzt auf langsam reifende und langlebige Weine. Der verkostete Jahrgang wird auch eine Dekade später noch Freude am Genuss bereiten.
Nochmals folgte Thorsten Dienst mit einem Spätburgunder Rosé aus dem Jahrgang 2018. Auf seine Bezeichnung stützte der Probenleiter kompakt die Abgrenzung zwischen Weißherbst und Rosé. Erstgenannte Bezeichnung wird heute nur noch selten verwendet, auch wenn sie nach dem Weinrecht zulässig wäre, da sie den Kunden in der Abgrenzung zum Rosé nicht zu vermitteln sei.
Holger Falk präsentierte einen Chardonnay des noch jungen Jahrgangs 2018, eine Rebsorte mit dem weltweit vertrauten Klang. Bewusst enthält sich der Wein der Versuchung, hölzern auf ihn Einfluss zu nehmen. Seine Besonderheit ist die malolaktische Säureumwandlung, bei der Apfelsäure in die mildere Milchsäure verwandelt wird. Dabei entstehen die für die Rebsorte prägenden Butteraromen.
Danach zelebriert der Riesling seinen Auftritt. Die weitere Probenfolge bestimmt die heimische Rebsorte, die immer noch den Rheingau dominiert. Das kleine Weinanbaugebiet, die Rebfläche beträgt ca. 3.300 ha, lässt den Probenleiter selbstbewusst verkünden, dass man eigentlich im Rheingau keinen Wein verkaufen müsse, denn die geringe Menge Wein vermögen die Bewohner des Landstriches innerhalb eines Jahres allein zu trinken. Wer die unterschiedlichen Rieslingweine der Probenfolge verköstigt, erlebt mit jedem einzelnen den Facettenreichtum des Rieslings neu.
Daher verwundert es nicht, dass die Hochheimer Weinkönigin Anna aus dem Patenweingut Schreiber einen halbtrockenen Hochheimer Berg aus dem Jahr 2018 als ihren Krönungswein auserkoren hat. Simon Schreiber, in Person prämierter Nachwuchs im Weingut, versteht sich besonders gut auf sein Handwerk. Der Krönungswein ist ein überzeugender Maßstab für sein Können. Ebenso überzeugend, wie Anna Hofmann ihren Lieblingswein beschreibt, den sie natürlich selbst vorstellen darf.
Zweimal betritt das Domdechant Werner´sche Weingut die Probenbühne. Zunächst mit einem Großen Gewächs der Hochheimer Lage Domdechaney, gewachsen im Jahr 2017. Die Mengenbegrenzung bezogen auf die Rebfläche, welche dem Großen Gewächs als Qualitätskriterium auferlegt ist, lässt den Riesling zum vorzüglichen Essensbegleiter werden. Der Probenleiter exerziert an diesem Wein sein profundes Wissen als Hobbykoch. Auf Anregung werden seine an diesem Abend zu den Weinen vorgestellten Kochrezepte in Kopie verteilt und sollen gar öffentlich zugänglich sein.
Wieder gibt Probenleiter Gros eine Lebensweisheit zum Besten, diesmal an die männlichen Besucher: „Lernt kochen, damit euch die Frauen auch im Alter noch behalten“, ruft er zur Erheiterung der anwesenden Damen in den Saal.
Die Lage Domdechaney aus dem Jahr 2009 beschließt die Probenfolge, ausgebaut als Riesling Auslese. Der Alterungsprozess ist geschmacklich erlebbar, aber angenehm. Für diejenigen, die mit dem Weintrinken beginnen, muss Wein wohl so schmecken.
Am Ende der Probe dürfen die Worte des Dankes nicht fehlen. Da sind zunächst die Taunus-Sparkasse und die Selters Mineralquelle, welche den Probenabend durch ihre Unterstützung erst ermöglichen. Auch die B&B Hotels gehören dazu.
Auch Klaus-Dieter Jung gebührt Dank und das in doppelter Hinsicht, denn er bereitet die Weinproben organisatorisch seit langen Jahren ohne Tadel vor und er ließ nicht locker, bevor Probenleiter Prof. Dr. Leo Gros nicht mehr anders konnte, als seine Zusage als Probenleiter zu geben. Die Gäste des Abends spenden stehend Beifall, um zu zeigen, dass er und die Weine es wert waren, dabei zu sein.
Das Salonorchester, dezent im Hintergrund musizierend, in gewohnter Besetzung, mit neuen Melodien, gleichfalls aus einer Marktweinprobe nicht wegzudenken. Ebenso wenig wie das obligatorische Hochheimer Lied, inbrünstig in den Saal geschmettert von der weinseligen Probiergemeinde.
Auch wenn es ungebührlich sein mag, erst jetzt zu erwähnen, dass Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Weltin als Vertreterin der kommunalpolitischen Gremien unter den Gästen weilte, vermochte auch sie dankend anzuerkennen, dass die Prominenz des Abends in der Vielzahl auf der Probenliste stand – die Weine und deren Vorstellung durch den Probenleiter als miteinander eng verwobene Unikate, jeder auf seine Weise.
Titelbild: Der vollbesetzte Saal des katholischen Vereinshauses in gespannter Vorfreude
Bildnachweis alle Bilder: Klaus Peter König