Winzerview: Simon Schreiber
In unserer neue Reihe WINZERVIEWS starten wir mit dem Blickwinkel des erfolgreichen Jungwinzers Simon Schreiber aus Hochheim am Main.
Simon Schreiber
Weintrinker, Kopf und Mitinitiator von MainWerk3, Querdenker, Biowinzer und Perfektionist
WEINTRINKER
Welcher Wein schmeckt Dir am besten und was gibt’s Neues vom Weingut Schreiber?
Ich mag alkoholreduzierte, leichte trockene Weine für den Alltag. Gerade letztes Jahr mit der vielen Sonne gab es Weine mit hohem Alkoholgehalt. Wir haben durch den Klimawandel ja auch keine Schwierigkeit mehr, Trauben mit hohem Reifegrad und dadurch Weine mit hohem Zuckergehalt zu produzieren. Das klassische deutsche Prädikatssystem mit Kabinett, Spätlese und Auslese misst den Zuckergehalt im Most.
Die Herausforderung für hohe Weinqualitäten sind, schlanke, leichte Weine mit Charakter zu produzieren. Der Zuckergehalt oder das Mostgewicht in Grad Oechsle ist nicht aussagekräftig für die zu erwartende Qualität. Faule Trauben können gerne 100 Grad Oechsle [1] und mehr haben und gesunde goldgelbe nur 90 Grad Oechsle.
Aus diesem Grund stellen wir im Weingut Schreiber von den alten am Zuckergehalt orientierten Stufen auf die Pyramide der Herkunftsqualität in Guts-, Orts- und Lagenweine um. Weil wir sowieso vorselektieren und nur Qualitätsweine produzieren, hat das für uns und unsere Kunden riesige Vorteile.
Unsere Gutsweine sind die Einstiegsweine, aus den Trauben unserer gutseigenen Lagen, sie geben die Charakteristik unseres Weingutes wieder und entsprechen hohen Standards.
Unsere Ortsweine entstammen aus besten Weinbergen innerhalb Hochheims und zeigen Rebsortenvielfalt wie Sauvignon Blanc, ab nächstem Jahr Roter Riesling und Gewürztraminer. Die Weine sind alles eher die leichteren Weine, mit weniger Alkohol und leicht zum Trinken, wie der MainWerk Rosé.
Unsere Lagenweine bilden die Spitze der Qualitäten, mit eigenem individuellen Charakter den man schmecken kann. Sie kommen aus erstklassigen Lagen (Hölle, Reichestal, Kirchenstück), in denen optimale Wachstumsbedingungen herrschen. Die Weine werden handgelesen, sind ertragsreduziert und stammen von alten Rebstöcken.
KOPF und MITINITIATOR von MainWerk³
Wie kam es zu der genialen Location im Hummelpark?
Der Hummelpark war gar nicht die erste Wahl. Wir haben fünf mögliche Varianten besprochen: 1) Unten am Main, 2) die Backeswied (am südlichen Rand der Hochheimer Altstadt), 3) in Massenheim, 4) an der alten Malzfabrik und schließlich 5) den ‚schlafenden’ Hummelpark.
Bei der Begehung des Hummelparks schien die Sonne so schön durch die Blätter, sie spielten mit dem Licht. Die Stimmung unter den großen alten Bäumen hatte es uns sofort angetan. Dann ging es schnell. Die Stadt und der Bürgermeister haben uns unterstützt unsere After-Work-Party-Planung im Hummelpark umzusetzen und der riesige Erfolg hat uns ja recht gegeben.
Wie kam es zu MainWerk3?
Die Inspiration kam von anderen Jungwinzergruppen wie z.B. ‚Message-in-a-Bottle’ in Rheinhessen. Am Hochheimer Weinfest vor zwei Jahren haben wir festgestellt, dass es mit uns passen könnte. Dann haben wir uns regelmäßig getroffen und erstmal Brainstorming gemacht. Wer sind wir? Was möchten wir erreichen? Jeder hat eine Marktanalyse in einem Segment gemacht.
Schließlich sind wir darauf gekommen, dass es noch keine Jungwinzergruppe gibt, die unter einem eigenen Weinsortiment und einem gemeinschaftlichen Marketing auftritt. Und schon kam auch die Idee, unsere Region, die ja innerhalb des Rheingau ist, aber am Main liegt und auf die wir stolz sind, bekannter zu machen. Schnell war der Begriff MainWerk /MeinWerk gefunden und weil wir alle schon mal aus der Ferne auf unsere Region geschaut haben, dachten wir, dass wir gleich mal die Ortsschranken einreißen. Das Hoch ‚3’ steht für die drei Weinorte von MainWerk3, Kostheim, Hochheim und Wicker.
Das Schöne ist, dass wir über die Idee des gemeinsamen Marketings auch als Gruppe zusammengewachsen sind. Wenn einer ein Problem hat, teilt er es den anderen mit. Wer sich berufen fühlt, hilft. In den gegenseitigen Besuchen lernen wir auch viel voneinander. Die Gruppe, das ‚voneinander und miteinander Lernen’ und das gegenseitige Helfen hat zwischenzeitlich einen größeren Raum eingenommen und ist wichtiger geworden, als wir das anfangs dachten.
Hat Deine Neuseelandreise irgendwas mit MainWerk3 zu tun?
Ja sicher. Nach meiner Ausbildung als Winzer auf Schloss Vollrads hatte ich eine 3-monatige Reise geplant. Daraus wurden dann 7-Monate mit längeren Aufenthalten in Neuseeland, Australien, Thailand, Malaysia, Singapur, Fitschi und Dubai. Die Reise und die Menschen, die ich getroffen habe, hat bei mir zu einer Horizonterweiterung beigetragen, offener auf andere zuzugehen und auch andere Vorstellungen zuzulassen, aber vor allem auch neugierig auf das Wissen anderer zu sein.
Ich habe nach meiner Reisezeit meinen ‚Techniker’ in Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach gemacht. Dort wird mehr entdeckt, erforscht und entwickelt. Die Lehrer sind nur Halbtags-Lehrer, den Rest sind alle Lehrer ganz bewusst noch im staatlichen Weinbaubetrieb tätig und bekommen so die Veränderungen und Herausforderungen Tag-für-Tag mit. Im Gegensatz zum Studium, in dem Vollzeit-Professoren nach einer gewissen Zeit raus aus den Tagesgeschäft sind. Die eher praxisnahe und experimentierfreudigere Technikerausbildung in Bad Kreuznach war für mich auf jeden Fall genau das Richtige.
QUERDENKER
Wie kam es zum Bio-Wein und ökologischem Weinbau?
Das habe ich natürlich bei meiner Ausbildung kennengelernt. Aber ich möchte gleich klarstellen, nur, weil ich mich für den ökologischen Landbau entschieden habe, bin ich kein Feind der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland, ganz im Gegenteil. Die Diskussion die da manchmal über die Landwirtschaft geführt wird, stört mich sehr. Da sprechen Leute, die gar nicht aus der Landwirtschaft kommen und keine Ahnung haben, wie gut unsere Landwirte, auch die Konventionellen, arbeiten. Die Bauern wollen für sich selbst und für die Kunden gute, saubere und gesunde Produkte anbieten. Wir sind hier ja nicht in Brasilien oder China, wo irgendwie alles erlaubt ist.
Die schnelle Verurteilung z.B. unserer Ackerbauern hat auch viel mit Unwissen und manchmal mit Falschinformationen zu tun. Die Qualität unserer landwirtschaftlichen Produkte mit seinen hohen Standards ist höher als irgendwo sonst. Sie ist schon gar nicht vergleichbar mit der Ware aus Billiglohnländern mit katastrophalen Zuständen in ökologischer und sozialer Hinsicht. Bei uns ist alles reglementiert. Jeder deutsche Landwirt verdient mehr Vertrauen vom Verbraucher und ein bisschen mehr Stolz auf unsere heimischen Produkte wäre auch wünschenswert.
BIOWINZER
Ist Wein denn ein gutes Produkt für ökologischen Landbau?
Vom Konsumenten wird es als nicht so dringend empfunden, wie bei Eiern oder Fleisch und es ist selten ein Verkaufsargument. Aber der intelligente Umgang im Einklang mit dem Boden, der Rebe, dem Wetter und der Natur ist einfach elegant. Einige Öko-Ideen hat der konventionelle Weinbau ja schon übernommen.
Bio im Weinbau heißt zunächst, den Boden nachhaltig zu pflegen, dass die Reben alles, was sie brauchen, zur Verfügung haben. Die Begrünung zwischen den Rebzeilen und unter den Rebstöcken spielt eine maßgebliche Rolle dabei. Wir säen dafür Pflanzenmischungen mit hoher Artenvielfalt wie z.B. die sog. Wolff-Mischung[2] aus, die eignet sich bei uns zur Begrünung der Rebgassen. Es gibt noch andere Mischungen für Steillagen oder zur Erstbegrünung, aber bei uns funktionierte die Wolff-Mischung anfangs hervorragend. Mittlerweile nutzen wir andere Mischungen, da die Wolffmischung Pflanzen enthält, die sehr viel Wasser verbrauchen.
Damit es im Sommer, der bei uns trockener ist als in anderen deutschen Weinanbaugebieten, nicht zur Wasserkonkurrenz zwischen den Bodenbegrünern und den Reben kommt, wird jede zweite Zeile umgebrochen. Nach der Ernte wieder begrünt und im darauffolgenden Jahr, wenn es soweit ist, wird die vorher begrünt-gelassene umgebrochen. Wenn eine Pflanzensorte den Grünstreifen dominiert, wird auch umgegraben und wieder eine neue Mischung angesät.
Die Vorteile der gezielten Begrünung sind vielseitig:
– Die Wurzeln der Begrüner lockern den Boden tiefer und feiner, als es eine Maschine könnte.
– Die Begrünung besteht vorderrangig aus Leguminosen d.h. Erbsen, Wicken und Kleesorten. Diese binden Stickstoff im Boden und werden zu erstklassigem biologischem Stickstoff-Dünger.
– Und man kann auch das ganze Jahr mit dem Traktor durch die Weinberge fahren ohne im Schlamm abzusaufen.
– Der Humusgehalt wird durch die Begrünung, den Bio-Stickstoff und die Verrottung der Pflanzen und die Ausbringung von Trester Jahr für Jahr erhöht.
– Normaler Mineraldünger wird ausgewaschen und muss jährlich wieder zugeführt werden.
„Wir haben unsere Weinberge seit 2009 nicht mehr gedüngt.“
In unseren Weinbergen blüht von April bis Oktober immer irgendetwas und die Bienen summen durch die Weinberge. Es bildet sich je nach Standort ein ganz individuelles Biotop. Die Artenvielfalt der Pflanzen hat eine Artenvielfalt bei den in – und auf dem Boden lebenden Insekten und Tieren zur Folge. Das hilft gegen tierische Schädlinge und Mangelkrankheiten aber leider nur bedingt gegen Pilzinfektionen. Zur Abwehr der gefürchteten Pilzkrankheiten. Gibt es im ökologischen Weinbau gibt nur wenige Mittel. Entlaubung zum richtigen Zeitpunkt kann helfen.
Gegen ‚Oidium’, dem echten Mehltau, nehmen wir zum Beispiel Natriumhydrogencarbonat (Natron), das hört sich an, als würden wir den Weinberg pudern, aber es sind nur 1,5g pro Rebe pro Behandlung. Hydrogencarbonat hilft sogar kurativ, also wenn die Pflanze schon erkrankt ist. Das Wichtigste aber ist die Kopfarbeit, die Beobachtung von Wind und Wetter und das frühzeitige Erkennen von möglichen Krankheiten.
Dann können auch Schwefel und Öle z.B. Orangenöl helfen. Orangenöl wird aus den Schalen gepresster Orangen gewonnen, ist also ein Abfallprodukt der Orangensaftproduktion und hilft im Bio-Weinbau die Blätter und die Trauben mit einem Schutzfilm zu umhüllen.
Das sind alles sehr elegante Lösungen, nur gegen den falschen Mehltau die gefürchtete ‚Peronospera’ oder ‚Plasmopara’ hilft nur eine wässrige Kupferlösung. Allerdings nimmt man maximal 0,3g pro Kubikmeter Boden im Jahr. Und nicht jedes Jahr ist ein Jahr, in der die Peronospera blüht.
PERFEKTIONIST
Vor allem versuchen wir Bio-Winzer die Rebe und die Trauben zu stärken: frühzeitiges und richtiges Entblättern, damit die Rebe gut durchlüftet bleibt, Sonne an die Trauben kommt und sich keine Staunässe bilden kann. Mit Schachtelhalmsud und Brennesseltee kann man die Rebe kräftigen. Einfach nachvollziehbar gesagt: Gepflegte, gesunde Pflanzen sind widerstandsfähiger gegen Krankheiten aller Art.
Gegen den Totalausfall der Ernte experimentieren wir aber auch mit sog. PiWis.
Das sind pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die gezielt durch Kreuzung von Rebenzüchtern entwickelt wurden. Wir erwarten Einiges von ‚Souvignier gris’ und ‚Calardis blanc’.
Beide Sorten versprechen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen echten und falschen Mehltau und gegen Botrytis[3], sodass nur ein Fünftel an vergleichbarer Spritzmenge gegen die Pilze ausreicht.
Die Rebsorte Calardis blanc besitzt Ähnlichkeit mit Riesling oder Sauvignon blanc mit reichem Aroma und spritziger Säure bei moderatem Alkoholgehalt.
Souvignier gris geht vom Aroma und Geschmack in die Burgunderrichtung und ist dem Grauburgunder ähnlich. Beides sind schöne Sommerweine, die auch ein gutes Essen begleiten können.
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[1] Grad Oechsle = ist eine Maßeinheit für das Mostgewicht der Weintrauben, also quasi für den Zuckergehalt.
[2] Wolff-Mischung = mehrjährige vielseitige Begrünung mit den Komponenten: Alexandrinerklee, Bokharaklee, Esparsette, Gelbklee, Inkarnatklee, Luzerne, Perserklee, Phacelia, Schwedenklee, Winterwicken, Buchweizen, Gelbsenf, Bienenweide, Gewürzfuttermischung
[3] Botrytis = Grauschimmel der auf vielen Obstsorten vorkommt.
Nächsten Donnerstag 04.07.19 AfterWork³ Party im Hummelpark