Die konspirative Koalition
Das Ergebnis der Kommunalwahl im vergangenen Jahr ließ erahnen, dass die Wähler die CDU in Hochheim nicht mehr in der politischen Verantwortung sehen wollten.
Zunächst sah es jedoch danach aus, dass mit Hilfe einer erstarkten FDP die bisherigen Koalitionäre CDU und FWG die Hürde einer Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung nehmen würden und somit ungeachtet der deutlichen Verluste der CDU die Zusammenarbeit mit der FWG eine Fortsetzung fände.
Die wechselseitigen Vorbehalte der ehemaligen Koalitionspartner, hauptsächlich gegenüber den Personen der jeweils anderen Fraktion, gewachsen und gefestigt in der Zusammenarbeit in den Jahren 2006 – 2011, waren schlussendlich nicht zu überwinden. Hinzu kamen im Vorfeld der Besetzung der zu vergebenden Ämter politische Ränkespiele gegen Personen innerhalb der CDU, welche die Regeln des Anstands und des guten Geschmacks verletzten. Final fehlte es am nötigen Vertrauen in die gegenseitige Verlässlichkeit, verbunden mit der fehlenden Akzeptanz in der FWG für den Umgang innerhalb der CDU auf der zwischenmenschlichen Ebene.
So wandte sich die FWG der SPD und Bündnis 90/Grüne zu, vereinbarte eine Zusammenarbeit, die nach mehr als einem halben Jahr als eine im Verborgenen praktizierte und geheimnisumwitterte wahrgenommen wird.
Mehrheitsbündnisse auf kommunaler Ebene sind bei den Bürgerinnen und Bürgern vielfach verpönt. Sie stehen als Synonym für kleinkarierten Streit, als Instrument für das Abstrafen ungeliebter Persönlichkeiten in der Minderheit mit den Mitteln der Politik und nicht zuletzt dafür, der Hemmschuh für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung zu sein.
Doch sprechen für stabile Mehrheiten in den kommunalpolitischen Gremien gute Gründe.
Nur die wenigsten Städte und Gemeinden sind in der finanziell komfortablen Lage, ihren Bürgerinnen und Bürgern nahezu jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und zu deren Umsetzung einvernehmliche Beschlüsse zu fassen, da im Überfluss die Gemeinsamkeit leicht fällt.
Gewöhnlich ist die Stadtkasse mehr oder weniger leer, und dem Wunsch steht die Frage gegenüber, welche Vorhaben zu welchem Zeitpunkt realisiert werden können oder gar unerfüllbar bleiben. Der sachlich geführte Streit spiegelt regelmäßig die Vielfalt der Meinungen in der Kommune wider. Entscheidungen in der Kommunalpolitik bilden repräsentativ die Mehrheit ab. Für diese Mehrheit werben Fraktionen einzeln oder im Verbund mit Rede und Gegenrede. Eine vereinbarte Mehrheit kann dafür stehen, dass Entscheidungen zeitnah getroffen und gute Ideen nicht zerredet werden.
Wechselnde Mehrheiten in den kommunalen Gremien setzen oftmals die Ursache für überlange Beratungen, für nicht enden wollende Bedenken, für den fehlenden Mut zur Entscheidung, letztlich für die verpasste Chance. Das gilt insbesondere dann, wenn Zuschüsse zu Investitionsentscheidungen nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen. Späte Entscheidungen sind vielfach schlechte Entscheidungen, weil die Entscheider durch von außen einwirkende Faktoren dazu getrieben werden. Wechselnde Mehrheit erlebte Hochheim über mehr als ein Jahrzehnt. Die Stadtentwicklung wurde dadurch nicht positiv beeinflusst.
Einer Koalition steht dann auch eine Opposition gegenüber, die Alternativen offenlegt und in der Sache zu einer zielgerichteten Debatte beiträgt. Das schließt die einvernehmlich getragene Entscheidung am Ende der Beratungen und der Diskussion keinesfalls aus.
Mit der Zusammenarbeit betraten FWG, SPD und Bündnis 90/Grüne in Hochheim politisches Neuland und weckten Neugier und eine positive Erwartungshaltung, obwohl die inhaltlichen Gemeinsamkeiten auf den ersten Blick in diesem Zusammengehen nicht zu erkennen sind.
Dabei ist die inhaltliche Position der FWG besonders zu betrachten. Der politische Verein, ausschließlich nach eigenem Bekunden dem Wohl der Stadt Hochheim und den kommunalpolitischen Belangen verpflichtet, erzielte bei der Kommunalwahl ein zwiespältiges Ergebnis. Während der Stimmenanteil in Hochheim von 20,1% auf 23,8% zunahm, stürzte das Hochheimer Wahlergebnis der FWG für den Kreistag regelrecht ab. 9,8% entfielen noch auf die Hochheimer FWG, denn für den Main-Taunus-Kreis konnten auch die Hochheimer Wählerinnen und Wähler ihre Stimme an die AfD geben.
Als mögliche Erklärung denkbar wäre, dass die nur kommunalpolitisch verankerte FWG als Sammelbecken eines Protestes gegen die bundesweit agieren Parteien CDU, SPD und Bündnis 90/Grüne Stimmen in Hochheim gewinnen konnte, was gleichfalls bedeuten könnte, dass die Wähler der FWG an diese keine hohen programmatischen Anforderungen stellen.
Es verbietet sich ausdrücklich, hier aus dem Verhalten der Wähler den Vertretern der FWG politische Verhaltensmuster anzudichten. Offen bleibt, ob Wählerverhalten in diesen unsicheren Zeiten unkommentiert auf sich beruhen sollte.
Die Diskrepanz in den Stimmenanteilen der FWG ist den Partnern SPD und Bündnis 90/Grüne nicht verborgen geblieben und sie könnten ein Grund sein, weshalb zwischen den Partnern Berührungsängste bestehen.
So vermeiden die Vertreter von Bündnis 90/Grüne die Bezeichnung Koalition als Definition für die politische Zusammenarbeit.
Den politischen Partnern spielte in die Hände, dass mit Beginn der Legislaturperiode die Beratungen über den Doppelhaushalt 2017/2018 anstanden und noch immer im Gange sind. Gemeinsame politische Initiativen wären mit der nötigen finanziellen Grundlage zu versehen möglich. Vortrefflicher hätte sich eine handlungsfähige Mehrheit nicht politisch etablieren können.
Stattdessen bot sich ein zwiespältiges, zuweilen irritierendes Bild. Während die FWG in den Beratungen zum Haushalt 2017/2018 durch Redebeiträge erkennen ließ, dass sie sich intensiv mit dem Entwurf des Haushaltsplanes auseinandergesetzt hatte, blieben die politischen Weggefährten in SPD und Bündnis 90/Grüne überwiegend sprachlos, und das so umfassend, als dass sie weder eigene Erkenntnisse zu den Beratungen beitrugen, noch die Positionen der FWG stützten, wo dies angebracht wäre.
Auf die Zurückhaltung angesprochen, argumentierte die Fraktionsführung von Bündnis 90/Grüne, es habe an der Zeit gefehlt, sich mit dem umfangreichen Zahlenwerk zu befassen. Bemerkenswerter ist die weitergehende Aussage, man habe sich nicht durch Fremde beraten lassen, sondern durch eigene Mühen eigene Erkenntnisse zum Haushalt gewinnen wollen.
Im Sinne einer politischen Zusammenarbeit und gerade in der zeitlichen Beschränktheit einer ehrenamtlichen kommunalpolitischen Arbeit muss es befremdlich anmuten, Fachwissen nicht beim politischen Partner abzurufen und aus gemeinsamen Erkenntnissen gemeinsame politische Ziele und deren Finanzierung zu erarbeiten. Misstrauen in der politischen Zusammenarbeit kann einander gegenüber so formuliert werden.
Das fehlende Zusammenwirken der politischen Partner hält nun als Ursache dafür her, dass entgegen den Planungen der Stadtverwaltung und den ohne erkennbaren Kontroversen verlaufenden Beratungen zum Haushalt 2017/2018, die Abstimmung darüber verschoben werden musste. Anstatt Handlungsfähigkeit zu beweisen, setzt die Koalition aus FWG, SPD und Bündnis 90/Grüne ein umfassendes Signal der Handlungsunfähigkeit, gestattet damit die Frage, ob das Bündnis faktisch bereits zu einem Ende gekommen ist, bevor es überhaupt politische Akzente setzen konnte.
Damit erscheint in der Rückschau in einem besonderen politischen Licht, dass die Fraktion der FWG dafür Sorge trug, dass die CDU weiterhin den Ersten Stadtrat stellen kann. Bibelgleich dem verlorenen Sohn wäre die CDU sicherlich bereit, die FWG wieder politisch in ihre Arme zu schließen.