Wunsch und Wirklichkeit
Die Stadtverordneten in der Hochheimer Stadtverordnetenversammlung sind offensichtlich der vorweihnachtlichen Stimmung erlegen, formulieren eine millionenschwere Wunschliste, die nur schwerlich zu erfüllen sein wird.
Dabei können die derzeitigen Großprojekte, die zaghaft aber erkennbar Fahrt aufnehmen, durchaus zu einer Fehleinschätzung verleiten, denn diese werden nicht oder nur in untergeordnetem Umfang aus der Stadtkasse bezahlt.
Das Baugebiet Schänzchen III und das neue Gewerbegebiet entwickelt federführend die Hessische Landgesellschaft (HLG). Das entlastet die städtischen Finanzen von den dafür anfallenden Kosten. Der Mehrwert aus der Entwicklung der Baugebiete fließt dem Haushalt in den kommenden Jahren zu, ohne dass den geplanten Erträgen eine zweifelsfreie Verlässlichkeit zuerkannt werden kann. Geplant sind Erträge von ca. 8.8 Mio. Euro.
Der Neubau des Kindergartens als auch des Wohnprojektes für Behinderte an der Massenheimer Landstraße beziehen ihre Finanzmittel aus der Umlage der Erschließungsbeiträge auf die Eigentümer, deren Grundstücke im zukünftigen Baugebiet liegen. Damit erklären sich auch die hohen Grundstückspreise.
Mit den geplanten, als außerordentlich bezeichneten Erträgen gelingt des derzeit, den Haushalt der Stadt Hochheim für die kommenden Jahre auszugleichen. Ohne ist ein Ausgleich nur zu erreichen, wenn die Steuereinnahmen weiter steigen. Eine Wette auf weiteres Wachstum.
Nicht übersehen werden darf, dass die Stadt Hochheim noch immer zu den hochverschuldeten Gemeinden gehört. Einschließlich aller sogenannten Sonderrechnungen, zu denen die Hochheimer Wohnungsbaugesellschaft und die Hochheimer Stadtwerke gehören, beträgt die gesamte Verschuldung noch deutlich über 55 Mio. Euro. Davon wird in den nächsten Jahren nur ein geringer Teilbetrag zurückgeführt. Bis zum 30.09.2016 betrugen die darin enthaltenen Kassenkredite noch ca. 12.5 Mio. Euro. Nach dem Plan sollen davon im Jahr 2020 immer noch ca. vier Mio. Euro übrig sein. Von den langfristigen Schulden ist ein Tilgungsanteil fraglich, da schon im Jahr 2018 neue Kredite aufgenommen werden sollen.
Kassenkredite sind Überziehungskredite, die in der Vergangenheit entstanden, als sich die Stadt mehr gönnte, als sie sich aus den zur Verfügung stehenden Mitteln leisten konnte. Es entspricht daher dem klassischen Muster, das Hochheims Bürger auf vielfältigen Wegen wieder zurückzahlen müssen, was ihnen einst zugestanden wurde.
Zwar konnten die Kassenkredite in den zurückliegenden vier Jahren von Minusbeträgen von ca. 18 Mio. Euro auf den derzeitigen Betrag zurückgeführt werden, doch diese Entwicklung bedarf des Eingeständnisses, dass Investitionen in das städtische Vermögen aufgeschoben wurden. Exemplarisch dafür steht die unendliche Geschichte über die Sanierung des Diedenberger Weges in Massenheim, die bereits seit 2014 immer wieder angekündigt und doch bis heute nicht umgesetzt ist.
Zahlreiche Straßen in Hochheim warten darauf, instandgesetzt zu werden. Ihre Reparatur stockt, weil ohne die Einführung einer Straßenbeitragssatzung keine grundlegenden Erhaltungsmaßnahmen an Hochheims Straßen durchgeführt werden dürfen. So bestimmen es die Aufsichtsbehörden. Anders formuliert: Die Reparaturen werden den Bürgerinnen und Bürgern weiter finanzielle Belastungen auferlegen.
Im Überschwang der geplanten stetigen Zunahme von Einnahmen sind Hochheims Stadtverordnete derzeit überzeugt, nahezu alles ermöglichen zu können.
Aktuell diskutiert wird eine Lärmschutzwand an der A 671, die im Zuge der umfassenden Sanierung der Autobahnbrücke angebracht werden soll. Unstreitig ist, dass sich in der Südstadt viele Lärmquellen vereinigen und der Schutz der Bewohner davor ein überzeugendes Anliegen ist. Tatsache ist aber auch, dass die derzeit geltenden Lärmgrenzwerte objektiv unterschritten werden, so dass seitens des Bundes als Betreiber des Bundesfernstraßennetzes keine gesetzlich bestimmte Notwendigkeit für eine Lärmschutzmaßnahme besteht.
Die Kosten für die Maßnahme betragen nach ersten zaghaften Schätzungen ca. 4 Mio. Euro und sie kommen bei allem Wohlwollen in der Sache einem geringen Anteil der Hochheimer Bevölkerung zu Gute. Fakt ist, die Autobahnbrücke existierte bereits, als das Baugebiet in der Südstadt neu entwickelt wurde, ebenso die Bahnlinie.
Ebenfalls in der Sache über jeden Zweifel erhaben ist die barrierefreie Erschließung des Hochheimer Bahnhofs. Auch hierzu besteht keine verlässliche Kostenschätzung, jedoch ist auch hier ein Investitionsvolumen von ca. 4 Mio. Euro nicht fern der Realität.
Beiden Fällen ist eigen, dass die Stadt Hochheim an fremden Bauwerken eigenes Geld einsetzen will, was unausweichlich die Frage der Rechte daran aufwirft, denn regelmäßig gehen die Mehrwerte in das Vermögen des Eigentümers des Bauwerkes über. Die Stadt hätte damit der Bahn und dem Bund Vermögensvorteile von derzeit geschätzten 8 Mio. Euro zugewandt.
Über allem schwebt als Damoklesschwert einer nur teilweisen Vermarktung des neuen Gewerbegebiets. Die Verträge mit der HLG sehen, beginnend ab dem Jahr 2020, eine Verpflichtung der Stadt Hochheim vor, die bis dahin nicht vermarkteten Teilflächen zurückkaufen zu müssen. Aktuell sind 8 ha der Fläche noch nicht verkauft. Der Rückkaufswert beträgt derzeit ca. 8.8 Mio. Euro.
So kündigen derzeit Hochheims Kommunalpolitiker Wohltat um Wohltat an, retten sich aber in die Unbestimmtheit auf der Zeitachse, um die kommenden finanziellen Belastungen und die Konsequenzen für den städtischen Haushalt kleinzureden.
Wohlgemerkt sind daneben die eigentlichen Aufgaben weiter zu finanzieren. Diese reichen von einer Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende Technik, der Wartung und Pflege der Hochheimer Sportanlagen, der Sauberkeit im Stadtgebiet, der Grünpflege, barrierefreie Bushaltestellen, erschwinglicher Wohnraum und vieles anderes mehr.
Und das alles in den guten Zeiten, in denen sprudelnde Einnahmen überwiegend zur Schuldentilgung eingesetzt werden sollten, um finanziell unabhängiger zu werden. Es gilt daher Maß und Ziel zu bewahren. Wunsch und Wirklichkeit klaffen im kleinen wie im großen oft schmerzhaft auseinander. Das müssen Bürger und Kommunalpolitik ohne Wehmut anerkennen.