Kuckuckskinder
Nach dem Abschluss der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2017/2018 verabschiedeten die Stadtverordneten bei ihrer letzten Zusammenkunft das Zahlenwerk. Alle Haushaltsreden hier bei uns zum nachlesen.
Der folgende Beitrag beleuchtet die Positionen der Fraktionen und die aktuelle Stimmungslage der Stadtverordneten zum Bürgermeister. Die Haushaltsreden sind sämtlich veröffentlicht.
Die Haushaltsdebatte ist nur dann nachzuvollziehen, wenn der Blick in die jüngere Vergangenheit zurückreicht. Als Bürgermeisterin Angelika Munck der Haushalt zu entgleiten drohte, setzte der Landrat als Aufsichtsbehörde ein zweifelsfreies Signal der Umkehr. Der Doppelhaushalt 2013/2014 wurde seinerzeit nur unter der Auflage genehmigt, dass deutlich mehr als eine Million Euro einzusparen seien.
In der Folge ersannen Hochheimer Stadtverordnete das Haushaltskonsolidierungskonzept, welches, durch externe Berater begleitet, Kosten von ca. 100.000 Euro verursachte. Da die Kommunalpolitik nicht den Mut fand, das Dienstleistungsangebot der Stadt Hochheim zu durchleuchten, Finanzierungsströme und alternative Finanzierungsmethoden für die Daseinsvorsorge nicht auf der Agenda standen, erschöpfte sich das von den Bürgerinnen und Bürgern weitgehend unbeachtete Konzept schlussendlich in einer massiven Erhöhung von Steuern und Abgaben. Die Belastungen aus der Grund- und Gewerbesteuer stiegen ebenso an wie die Kosten für die Kinderbetreuung, da das Haushaltsicherungskonzept eine Mindestdeckung der Kosten durch die Gebühren der Eltern vorsah.
Nicht zuletzt die Vereine wurden mit Nutzungsgebühren für die im Eigentum der Stadt stehenden Räumlichkeiten belegt.
Das Haushaltssicherungskonzept erfreute sich bei nahezu allen Kommunalpolitikern ausgeprägter, aber nicht zur Schau gestellter Unbeliebtheit. Zum einen blieb es hinter den Möglichkeiten für ein Konzept zurück, zum anderen waren und sind der stetig wachsende Zugriff in das Vermögen der Bürger nur schwerlich zu vermitteln. Da im Rahmen der Haushaltssicherung neue Abgaben ersonnen wurden, namentlich die Straßenbeitragssatzung, besteht aus der Sicht der Bürger kein Grund zur Entwarnung.
In seiner Haushaltsrede spricht der Fraktionsvorsitzender FWG-Fraktion, Eric Müller, verschiedentlich von strategischen Ansätzen in der Struktur der Verwaltung und fordert Konzepte, die bereits Teil der Haushaltssicherung hätten sein können, denn dort sind grundlegende Ausrichtungen zu verorten. Die Haushaltssicherung als strategisches Instrument könnte durch die FWG verspätet die Bedeutung erfahren, die ihr bereits zu Beginn zugestanden hätte und damit endlich zukunftstauglich werden.
So war es mehrheitlich in der Koalition aus FWG/SPD und Bündnis 90/Grüne nachgerade willkommen, von den weiteren Steuererhöhungen absehen zu können, da die derzeitige Haushaltslage solche vordergründig nicht zwingend gebietet.
Dass die Grünen gleichwohl erfolglos in den Haushaltsberatungen versuchten, die übrigen Stadtverordneten an die Beschlusslage zur Haushaltssicherung zu erinnern, in dem sie weitere Steuererhöhungen beschlossen sehen wollten, ist bis dahin konsequent. Das Haushaltssicherungskonzept ist bestehende Beschlusslage der Stadtverordnetenversammlung und durch keine entgegenstehende Beschlüsse aufgehoben oder geändert.
Mit dem Beschluss zum Haushalt 2017/2018 tragen alle Fraktionen dazu bei, dass es Gefahr läuft, still und leise in der Versenkung zu verschwinden. Ob es in seiner jetzigen Form untergeht, werden die zukünftigen Haushaltsjahre zeigen. Ob es durch neues Denken reaktiviert und belebt wird, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang die FWG mit zukünftigen Anträgen durchdringt und die Ergebnisse aus den Konzepten auch vorbehaltslos umgesetzt werden.
Welche Wertigkeit der Bürgermeister dem Haushaltssicherungskonzept beimisst, ist an der Tatsache belegt, dass der Magistrat die Beschlüsse zur Haushaltssicherung in seinen wesentlichen Bestandteilen erst gar nicht in den Haushaltsentwurf zum Doppelhaushalt 2017/2018 einarbeitete, den er den Stadtverordneten zur Beratung und Beschlussfassung vorlegte.
Zutreffend stellte Müller (FWG) fest, dass es dem Magistrat unbenommen bleibt, mit einer Beschlussvorlage von vorangehenden Beschlüssen abzuweichen und damit die Stadtverordneten aufzufordern, diese zu überdenken und fallweise zu ändern.
Das Recht des Magistrates darf als umfassend angesehen werden und erstreckt sich nicht nur auf die Steuersätze, sondern auch auf den Stellenplan. Warum FWG, SPD und Grüne am Entwurf des Haushalts zum Stellenplan nun einen Vertrauensbruch ausmachen wollen, nicht dagegen bei den Hebesätzen, kann die Koalition schlussendlich nicht überzeugend begründen, erst recht nicht, wenn dem Haushalt schlussendlich zugestimmt wird und die massiv vorgetragenen Bedenken sich nicht im Abstimmungsverhalten widerspiegeln.
Die Wurzeln dafür mögen tiefer liegen und könnten für die Stadtverordneten bedeuten, sich selbst kritisch zuzuwenden.
Es ist die besondere Mentalität des Bürgermeisters in seinen jovialen Umgangsformen, andere auf der persönlichen, auf der zwischenmenschlichen Ebene zu vereinnahmen. Das Gefühl, die kommunalpolitische Familie sei eine große und geeinte, könnte dazu beigetragen haben, dass die gebotene Distanz zwischen Stadtverordneten und dem Bürgermeister verlorenging. Durchaus sprechen sich Mandatsträger und der Bürgermeister in öffentlichen Sitzungen mit dem Vornamen an. Daher muss die Frage gestattet sein, ob den Stadtverordneten in Teilen als Kontrolleure die Wachsamkeit über den zu kontrollierenden Magistrat, und den Bürgermeister als Teil davon, abhandengekommen ist. Enttäuschung des einen über das Verhalten des anderen ist ein zwischenmenschliches Phänomen. Westedt könnte die zwischenmenschliche Basis zwischen ihm und den Stadtverordneten nachhaltig beschädigt haben. Der Argwohn wird den Vertrauensvorschuss ablösen, auch wenn das nicht zwingend in der Sache zu begründen ist.
Nahezu allen Haushaltsreden ist gemeinsam, dass sie zukünftige Risiken für den kommunalen Haushalt verkennen (wir berichteten in Wunsch und Wirklichkeit). Nur Heinz-Michael Merkel (GAL) verweist auf „Sonderfaktoren“ in der Zukunft, die es zu beachten gilt. Ebenso misst er den Prognosen für die Zukunft ein „spekulatives“ Element bei. Die sind es jedoch, welche den vermeintlichen Wohlstand der Gemeinde in den kommenden Jahren begründen sollen.
Auch Adam Bösz (CDU) deutete in den Ausschussberatungen an, das Problem erkannt zu haben, indem er darauf verwies, dass der Haushalt nur durch das sogenannte außerordentliche Ergebnis deutlich positiv geprägt ist. Außerordentliche Ergebnisse beziehen sich regelmäßig auf einmalige Zuflüsse, sind daher nicht von Dauer. In seiner Rede geht er nicht darauf ein.
Wenn Müller (FWG) aus seiner Sicht die Aufwendungen für die Jugendarbeit kritisch hinterfragt, da er die Aufwendungen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Personen sieht, die das Geld erreicht, so bleibt er die Antwort schuldig, warum für die Bewohner der Südstadt seiner Meinung nach die Kosten einer nur schwerlich zu finanzierenden Lärmschutzeinrichtung aufzubringen sind, was gleichermaßen in einem Missverhältnis steht. Zukünftige Haushaltspolitik wird Prioritäten setzen müssen.
Constantin Cattepoel (FDP) verwies in seiner Haushaltsrede auf die steigenden Gewerbesteuereinnahmen und sieht den Grund darin in der erfolgreichen Ansiedlungspolitik des Bürgermeisters.
Dem Haushalt 2017/2018 ist deutlich zu entnehmen, dass der Gemeindeanteil der Einkommensteuer deutlich über der Gewerbesteuer rangiert und sich zukünftige Gewerbesteuereinnahmen nicht mit Sicherheit voraussagen lassen. Das gilt insbesondere deshalb, weil der Bundesgesetzgeber die Ausnutzung bestehender Verlustvorträge unternehmerfreundlicher gestalten will, so dass Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen steuermindernde Gewerbeverluste sich erkaufen könnten.
Die Höhe der Gewerbesteuereinnahmen ist im Gegensatz zu den verlässlichen Einkommensteueranteilen eine Schätzung, die sich jederzeit in mehr oder weniger großem Ausmaß in sein Gegenteil kehren kann.
Die Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens in Hochheim ist dem allgemeinen Trend der steigenden Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte geschuldet.
Mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Haushalt 2017/2018 ist nicht nur festgeschrieben, dass alle Einnahmen auch ausgegeben werden, Rücklagen werden nicht gebildet. Darüber hinaus kann der Magistrat neue Kredite aufnehmen, weiterhin ist es demnach nicht möglich, alle beschlossenen Maßnahmen mit eigenem Geld zu finanzieren.
Derzeit ist die politische Ausrichtung für die finanzielle Zukunft Hochheims nur schwerlich zu erkennen, weil die Unwägbarkeiten für die nächsten Jahre ausgeblendet werden.
Zudem haben die politischen Gruppierungen in der Stadtverordnetenversammlung noch nicht zu ihren politischen Positionen gefunden. Die CDU, Unterstützer des Bürgermeisters in der Direktwahl, steht vor der Frage, wie sie sich angesichts der Wahl zum Bürgermeister im Jahr 2020 verhält. Derzeit ist nicht erkennbar, dass sie für politische Alternativen in der Kommunalpolitik steht und dazu entsprechende Personen präsentiert.
Die Koalition scheute sich, ihre Ziele im Haushalt festzuschreiben, weil sie bis zur Abstimmung keine Einigkeit erzielen konnte. Das Selbstverständnis der FWG in der Koalition als stärkster Partner könnte den Zusammenschluss mit sinnvollen Anträgen beflügeln. Jedoch können die Stadtverordneten Hochheim nur dann voranbringen, wenn sich jedes Gremium auf seine Aufgaben besinnt und konzentriert. Gegenseitiger Respekt ist ohne Ausnahme geboten, wahrgenommene Kumpanei wohl fehl am Platz, was in der geschriebenen Rede von Markus Hesse (SPD) seinen Ausdruck findet.