Die Gänse haben ihn verraten
Er war schon zu Lebzeiten äußerst populär. Die Bevölkerung, auch die Andersgläubigen, schätzen und verehrten ihn. Er war ein großer Kämpfer und im Umgang mit Waffen begabt und geschult. Er hatte sich als Berufssoldat verpflichtet. Sein Dienst versah er zuerst als Bodyguard des Kaisers dann entlang seiner Offizierskarriere hier und da in Europa. Er war als Kommandant am Rhein, in Bingen und Mainz, stationiert. Und als Offizier in dieser hohen Funktion verweigerte er dann seinem Heerführer den Dienst mit der Waffe. Das war im Feldlager irgendwo zwischen Oppenheim und Worms.
Er hätte der Schutzpatron der Wehrdienstverweigerer werden können, aber wurde entgegenläufig seiner Einstellungen von den Frankenkaisern als Schutzpatron der Schlachtfelder instrumentalisiert.
Er hatte einen eigenen Biographen, Sulpicius Severus (klingt wie ein Lehrer aus Hogwarts, gab’s aber tatsächlich) der hat folgende Worte überliefert: „…ich bin von nun an nicht mehr Soldat des Kaisers, von nun an bin ich Soldat Christi!“
Nach Ablauf seines Militärdienstes, zuletzt ohne Waffen, mit vierzig Jahren las’ und lernte er viel. Er reiste quer durch Europa, lebte als Asket und Einsiedler meditierte und betete. Nebenbei gründete er das erste Kloster Europas und war immer bereit andere zu unterstützen und half wo er konnte.
Die Bürger haben ihn mit einer Finte, einem Hilferuf, aus seiner einfachen Behausung außerhalb der Stadtmauern in die Stadt gelockt, um ihn dort in ein hohes Amt zu wählen. Er sah sich als nicht würdig dafür und floh in einen Stall. Dort wurde er von schnatterndem Federvieh verraten, gefunden und dann doch gekürt.
Die Anderen seines Ranges verachteten ihn und machten ihm das Leben schwer. Mehrfach unternahmen sie Versuche ihn wegen seiner Vergangenheit als Soldat und seiner ärmlichen Mönchsbekleidung aus dem Amt zu drängen. Erfolglos! Kämpfer eben.
Einmal musste er seine ganze Popularität und seine Bekannschaft zum Kaiser einsetzen um Priszillian von Avila zu retten. Das gelang zunächst. Aber nach seiner Abreise wurde Priszillian auf Betreiben hoher Glaubensvertreter zum Tode verurteilt. Priszillian wurde wegen der Aussage, es ist nachlesbar, daß Jesus von Nazareth für die Abschaffung der Sklaverei und für die Gleichberechtigung von Mann und Frau war, hingerichtet. Kaum 80 Jahre nachdem die Christenverfolgung beendet wurde, richten Christen andere Christen wegen unterschiedlichen Glaubensauslegungen hin. Das war in Trier im Jahre 385. Unser Held war außer sich, wirkte aber danach weiter für Menschlichkeit und aktiv gegen Hinrichtungen und Menschenopfer. Aber er nahm nie wieder an einer Bischofsversammlung teil.
Er ist der Erste, der nicht wegen seinem heroischen Tod sondern wegen seiner mildtätiger Taten im Leben besonders gefeiert wird.
Martin von Tours an der Loire. Durch Hilferuf aus der Bevölkerung auf den Bischofsitz gelockt. Geboren 316 also vor 1.700 Jahren, war mitten drin statt nur dabei in der Christianisierung Europas. Und natürlich war da die Sache mit dem geteilten Mantel, (seine ‚chlamys’(Mantel), war aber nicht rot sondern weiß und Martin ist wohl eher zu Fuß daher gekommen, damals in Amiens und nicht zu Pferd, wenn wir dem Biographen glauben). Verstorben am 11. November 397 den wir heute noch in seinem Andenken feiern den aufrechten spätantiken Soldat, Asket, Mönch und Bischof wider Willen.
St. Martin ist einer der bekanntesten Heiligen und wird in der katholischen, der orthodoxen, der anglikanischen, der calvinistischen und der evangelischen Kirche verehrt. Und ich finde seine Lebensgeschichte immer wieder spannend.
Darauf ein guten Hochheimer Wein beim Gänsebraten! Dabei denke ich dieses Jahr auch an den der seiner Zeit tausende von Jahren voraus war: Priszillian von Avila.