WELTvisionen in die Nähe geholt
Dienstagabend war volle Stube im Eulenspiegel. Über 50 Zuhörer warteten gespannt auf die Vorstellung des Buches „Das demokratische Weltparlament“. Zur Begrüßung erklärte Jutta Bummel, dass es die erste Vorstellung des druckfrischen Buches ist und es schon jetzt als das Standardwerk für ein demokratisches Weltparlament gehandelt wird. Die Inhaberin des Eulenspiegels ergänzte charmant: „Wegen der häufigen Nachfragen, ja – Andreas ist mein Bruder, er ist nicht mein Ehemann, auch nicht mein Sohn oder Enkel, er ist mein jüngerer Bruder!“
Dann startet Andreas Bummel und kommt schnell zum Buch, für das er fünf Jahre gebraucht hat. Das Buch ist als ein Projekt neben der 2007 gestarteten Kampagne für ein Parlament bei der UNO, www.unpacampaign.org, entstanden. Andreas Bummel engagiert sich darüber hinaus schon seit mehr als 14 Jahren für den Gedanken eines demokratischen Weltparlaments. Er lässt dem interessierten Publikum keinen Zweifel daran, dass er dieses Thema voll und ganz durchdrungen hat und mit Inbrunst bei der Sache ist.
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
Mit Tempo und angenehm unprätentiös gibt er in freier Rede verschiedene Einblicke in Kapitel des Buches und in die Gedankenwelt der Befürworter des Weltparlaments. Er nimmt uns mit zur Entstehung des Grundgedankens. Ganz früh beginnt die Idee bei der französischen Revolution. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist ja nicht auf Frankreich begrenzt. Die Forderung ist heute so aktuell wie damals. Nach dem 2. Weltkrieg gab es den Impuls, den Nationalismus als Ursache des Krieges zu überwinden und als Weltbevölkerung zusammenzuarbeiten; die UNO wurde gegründet. Der Funke ist als europäische Union erhalten geblieben, die aber leider durch den kalten Krieg bis 1989 festgefroren war. Aber schon damals wurde die föderalistische Bewegung der europäischen Union nur als ein logischer Schritt zur Weltunion gesehen.
Gerade in Zeiten des „Brexit“ und der Wahl Donald Trumps die Symbole für den Rückschritt zur Nationalstaaterei sind, ist es wichtig zu erkennen, dass globale Probleme, globale Lösungen erfordern. Und das andere Trends langfristig im Gange sind.
Affektgesteuerte Handlungen nehmen ab
Das Lieblingskapitel von Andreas Bummel beschäftigt sich mit der soziopolitischen Evolution. Über die Jahrhunderte kann man deutlich erkennen, das affekt-emotionales Handeln zurückgeht. Z.B. bei der Arbeit ist die offene Affekthandlung dem reflektorischen, zuerst denken, dann handeln, gewichen. Andreas Bummel referiert: „Es gibt einen Zusammenhang der psychologischen Entwicklung des Menschen und der politischen Systeme. Vom Jäger und Sammler, zu Fürstentümern, Imperien, Nationalstaaten. Die Geschichte der Menschen ist die Geschichte vom Entstehen und dem Zerfall sozialer Einheiten.“
Die Ethik der Aufklärung oder der französischen Revolution ist noch nicht überall verinnerlicht. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit heißt alle Menschen sind gleich. Doch ein planetares Bewusstsein, dass wir alle auf dem Raumschiff Erde sind, fehlt noch in großen Teilen, sowie dieses Bewusstsein in ein planetares Parlament zu gießen.
Willkommen im Anthropozän!
Erdgeschichtler haben das Menschenzeitalter ausgerufen. Zur Erinnerung: Das Holozän ist das Zeitalter nach dem Ende der letzten großen Eiszeit vor über 11.500 Jahren bis heute. Das stabile Klima hat den Ackerbau und die frühen Kulturen begünstigt und ermöglicht uns heute noch die überwiegend angenehmen Lebensbedingungen auf der Erde.
Aber ein neues Zeitalter hat begonnen. Noch in Millionen von Jahren wird der Beginn des Menschenzeitalters nachweisbar sein. Die über 500 oberirdischen Nuklearwaffentests haben ausgereicht, um die Radioaktivität in den Sedimentschichten nachzuweisen. Und ein riesiges globales Artensterben hat mit der Industrialisierung eingesetzt. Knochen und Reste von unzähligen Tier- und Pflanzenarten werden ab heute nicht mehr in den Sedimenten zu finden sein. „Der Punkt ist, die planetaren Grenzen der positiven Lebensbedingungen können, nicht zuletzt durch den nachweisbaren exorbitanten Anstieg des CO2 Gehalts, einfach verschwinden.“, meint Andreas Bummel.
Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?
Wie kümmern wir uns um das Erdklima, Bedrohung durch infektiöse Krankheiten, Nano- und Robotik-Hackern, Finanzwesen, Wirtschaft, Frieden und Sicherheit?
Das Völkerrecht hat versagt. Die Nuklearwaffenstaaten boykottieren den Abbau der Nuklearwaffen. Alle haben unterzeichnet aber nichts passiert, es gibt kein globales Regelinstitut, dass darüber wachen könnte. Die UN steckt in einem Dilemma. Das Dogma der Souveränität der Staaten lähmt die Entscheidungsprozesse. Viele Entscheidungen können nur nach dem Konsensprinzip getroffen werden. Internationale Vereinbarungen sind nur der kleinste gemeinsame Nenner.
Eine Weltrechtsordnung wäre notwendig. Die Ideen sind nicht neu. Über den Atomwaffenabbau und die entsprechende Rechtsordnung haben schon der amerikanische Präsident Kennedy und der sowjetische Präsident Chrustschow in den sechziger Jahren gesprochen. Der eine wurde umgebracht, der andere entmachtet.
Es kann ja nicht sein, das sogenannte autonome Staaten als Steueroasen, wie die Bahamas, der Welt auf der Nase tanzen, oder dass eine Großbank wie die HSBC nachweislich Milliardengeschäfte mit Drogenbossen macht, und damit den Drogenhandel erst ermöglicht, erleichtert und fördert, und ungestraft davonkommt, weil es sich um ein systemrelevantes Großunternehmen handelt.
Die Säulen der Weltrechtsordnung könnten diese sein:
- weltweite Rüstungskontrolle,
- allgemeinverbindliche Rechtsetzung,
- Entscheidung von Streitfällen
Die Mittel zur Rechtsdurchsetzung für globale Probleme wären ein Strafgerichtshof, Friedenstruppen und eine globale Polizei unter Führung des Parlaments, wie es in den demokratischen Staaten üblich ist.
Der Leviathan (von Thomas Hobbes eingeführte Bezeichnung für den allmächtigen Staat)
Auf die rhetorische Frage, ob mit der Weltrechtsordnung nicht ein Ungeheuer geschaffen wird, antwortet Andreas Bummel: „Der Leviathan ist schon da! 6 Personen haben mehr Vermögen als 50% der gesamten Menschheit. Die Zersplitterung der Welt in 193 Nationalstaaten nutzt 0,1% der Menschen. Der Status Quo ist eine Plutokratie. Wir leben in der Herrschaft des Geldes. Die transnationalen kapitalistischen Strukturen nutzen den Plutokraten, weil keine demokratische Kontrolle möglich ist.
Die Demokratisierungswelle
Einen guten Trend hat Andreas Bummel noch übrig für uns: „Der Mega-Trend der letzten 100-Jahre ist die Demokratisierung der Welt. Waren es 1910 nur wenige Demokratien auf der Erde, sind die demokratischen Länder heute bei weitem in der Überzahl. Die Demokratisierungswelle hat einen Rückgang von Gewalt und die Entwicklung von Empathie und Moral zur Folge. Auch in Ländern, in denen keine Demokratie herrscht, sehnt sich die Mehrzahl der Bevölkerung danach.“
Andreas Bummel zieht mit seinen Ausführungen und den dazu passenden Folien das gesamte Publikum in seinen Bann. Sehr interessant war auch, dass er sehr viele junge Zuhörer anlocken konnte. Allein die Tatsache, dass die zwei Stunden der Veranstaltung im Fluge vergehen und niemand den Raum verlässt, spricht für das Thema und seine Argumente.
„Natürlich sind wir hier privilegiert. Niemand erwartet ein demokratisches Weltparlament über Nacht. Aber es kann schnell gehen. Denken wir an den Fall der Berliner Mauer oder an den arabischen Frühling. Keiner hatte dies vorausgesagt oder vorhergesehen. Wenn wir keine Vision haben, wo wir hinwollen, passiert nix.“, resümiert Andreas Bummel.
Viel mehr Fakten, Details und Anregungen sind in seinem Buch zu finden.
Wir sagen: Vielen Dank für die Anregungen des Abends und die demokratische Vision einer lebenswerten Zukunft für alle. Wir glauben an das Buch und den Autor und wünschen beiden weiter viel Erfolg. Und danke, dass diese Weltvision in unsere Nähe gebracht wurde.