Lerne klagen ohne zu zahlen – Gedanken zum Straßenausbaubeitrag

Königs Kolumne
Königs Kolumne

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen rückt näher. Die dazu erforderliche Grundlage, die örtliche Satzung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist in Kraft. Konkrete politische Anstrengungen, die Satzung aufzuheben, sind nicht in Sicht.

Ausgehend vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.06.2014 steht fest, dass die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, auch in wiederkehrendem Turnus, keinen grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Die Aufhebung der Satzung über wiederkehrende Straßenausbaubeiträge der Stadt Hochheim müsste sich auf den politischen Willen der Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung stützen, daran fehlt es.

Gleichwohl könnte gegen die Beitragsbescheide über die zu erhebenden Straßenausbaubeiträge der Rechtsbehelf angeraten sein.

In der Begrifflichkeit der Satzung ist das Abrechnungsgebiet ein bestimmter Teil der Stadt Hochheim, den die Satzung umschreibt und in einer Anlage zur Satzung auch optisch markiert. Die darin enthaltenden öffentlichen Straßen sind als einheitliche Verkehrsanlagen bezeichnet.

Die Bildung der einheitlichen Verkehrsanlagen ist gesetzlich gefordert zu begründen. Das ist gegeben.

Doch könnte die Bildung des Abrechnungsgebietes „Kernstadt“ dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entgegenstehen.

Gestützt auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.06.2014 dürfen Abrechnungsgebiete als einheitliche Verkehrsanlagen nur dann zusammengefasst werden, wenn sich ein konkret individueller Vorteil einstellt. Angesichts der Weitläufigkeit des Abrechnungsgebiets Kernstadt als einheitliche Verkehrsanlage ist das zweifelhaft. Die untrennbare verkehrstechnische Verbundenheit, mit welcher die Stadt Hochheim die Bildung des Abrechnungsgebietes begründet, ist angesichts bestehender Umgehungsstraßen nicht zwingend. Es bedarf keinesfalls der Nutzung aller Straßen des Abrechnungsgebietes, um sich die eigentliche Kernstadt verkehrstechnisch zu erschließen, schon deshalb nicht, da der Einzelhandel für den täglichen Bedarf in den östlichen Randgebieten der Stadt angesiedelt ist. Zwar gesteht das Bundesverfassungsgericht kleineren Gemeinden zu, den innerörtlichen Bereich als ein Abrechnungsgebiet anzunehmen, jedoch ist vorrangig auf die Vermittlungsbeziehungen zwischen den Verkehrsanlagen, demnach zwischen den Straßen abzustellen. Dabei ist nicht das politisch gewollte, sondern das tatsächlich gegebene rechtserheblich.

Die Bildung der großen Abrechnungseinheit „Kernstadt“ in Hochheim ist bei erster Betrachtung damit zu begründen, dass in der Kernstadt im engeren Sinne hoher Investitionsbedarf besteht, der möglichst viele Beitragszahler über die Festlegung eines Abrechnungsgebietes heranziehen soll. Gerade das ist aber der politische Wille.

Weitergehend hat eine Gemeinde zu berücksichtigen, dass Gebiete mit strukturell gravierend unterschiedlichem Straßenausbauaufwand bei der Bildung einer Abrechnungseinheit nur zusammengeschlossen werden dürfen, wenn dies nicht zu einer Umverteilung von Ausbaulasten führt, die auch bei großzügiger Pauschalierungsbefugnis mit Rücksicht auf das Gebot der Belastungsgleichheit nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dieses Kriterium des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf „strukturelle“ Unterschiede einzelner Gebiete, die sich beispielsweise in Baugebieten aus den Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung, über Straßenbreiten und Parkflächen, aber auch wegen eines einheitlichen Ausbauzustands aufgrund der ungefähr gleichzeitigen Herstellung der Straßen ergeben können. Diese Umstände können einen gravierend unterschiedlichen Ausbaubedarf auslösen. Während nämlich jüngeren Datums hergestellte Erschließungsanlagen in einem Neubaugebiet im Allgemeinen auf längere Sicht nicht erneuert werden müssen, weisen die Straßen in schon länger bestehenden Baugebieten, deren übliche Nutzungsdauer abgelaufen ist, häufig einen akuten Erneuerungsbedarf auf.

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in Hochheim für die im innerstädtischen Bereich seit mehreren Jahrzehnten unterlassenen Straßenausbaumaßnahmen und die Einbeziehung der jüngeren Datums seienden Wohngebiete, die voraussichtlich für mehr als 25 Jahren nicht erneuert werden müssen, führen zu einer erheblichen Umverteilung der Ausbaulasten, die durch eine der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zugestandene Pauschalierungsbefugnis nicht mehr gedeckt ist.

Wirkt sich deshalb die Erhebung wiederkehrender Beiträge in einer Abrechnungseinheit als unzulässige Umverteilung von Ausbaulasten aus, muss grundsätzlich eine Aufteilung des Gebiets in mehrere einheitliche öffentliche Einrichtungen von Anbaustraßen erfolgen. Daneben besteht die Möglichkeit, die umschriebenen verfassungsrechtlich bedenklichen Folgen durch eine satzungsrechtliche Verschonungsregelung zu mindern, so das Bundesverfassungsgericht. An einer solchen fehlt es der Satzung in Hochheim.

Die Kernstadt besteht aus zentralen Straßen, welche in West-Ost-Richtung ausgelegt sind und den gesamten gewerblichen Straßenverkehr aufnehmen. Außerdem einen im Halbkreis ausgelegten Innenstadtring, den die innerstädtisch verlaufenden Buslinien, die Lastwagen auf dem Weg zum Gewerbegebiet und die Versorgungsfahrten zum Lebensmitteleinzelhandel nutzen.

Das Abrechnungsgebiet Kernstadt fasst Bereiche der Innenstadt zusammen, die seit mehr als 50 Jahren nicht mehr grundlegend saniert wurden, als auch Gebiete, deren Straßenzüge noch keine Nutzungsdauer von 25 Jahren aufweisen, für sich genommen keines Straßenausbauaufwandes bedürfen. Weiterhin unterscheidet sich innerhalb des Abrechnungsgebietes der öffentliche Nutzungsanteil der Straßen aus den oben genannten Gründen deutlich.

Es ist daher zweifelhaft, ob das Abrechnungsgebiet Kernstadt als einheitliche Verkehrsanlage gerichtsfest Bestand haben kann.

In den Bestimmungen der Satzung fehlt es am Gemeindeanteil, der ausweislich des Kommunalabgabengesetzes zu konkretisieren ist. Die Regelung, diesen einzelfallbezogen zu ermitteln und dann durch Satzung festzulegen, könnte gegen das grundrechtlich gesicherte Bestimmtheitsgebot verstoßen. Das Handeln der Verwaltung muss messbar und in gewissem Ausmaße für den Bürger voraussehbar und berechenbar sein, was folgend die Gerichtskontrolle ermöglicht. Auch das ist Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Der Verfasser hält unverändert ein Plädoyer für den einmaligen Straßenausbaubeitrag, der ausgerichtet am konkreten Straßenausbau vom Grundstückseigentümer erhoben wird, angelehnt an die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit seiner Erhebung.

Der vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzte konkret-individuelle Nutzungsvorteil kann bei einer straßenbezogenen Ausbaumaßnahme zweifelsfrei für das Grundstück beziffert werden. Die Bildung rechtlich angreifbarer Abrechnungsgebiete entfällt.

Dem Gegenargument der fehlenden finanziellen Mittel der Grundstückseigentümer zur Finanzierung des auf das Grundstück entfallenden Straßenausbaubeitrages muss und kann begegnet werden, auch in seiner Vielschichtigkeit.

Wer eine Immobilie erwirbt, die innerstädtisch an einer Straße gelegen ist, die in naher Zukunft einer umfassenden Sanierung unterworfen wird, vermag dies auf den ersten Blick wahrzunehmen. Er ist nicht daran gehindert, sich Kenntnis über eine mögliche kosteninstensive Maßnahme verschaffen. Ein Immobilienerwerb, der die Hingabe des allerletzten Cent erfordert, ist finanziell falsch dimensioniert und kann daher nicht rechtfertigen, kein Geld mehr übrig zu haben.

Langjährige Grundstückseigentümer, denen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen droht, können durchaus in finanzielle Engpässe geraten, das ist anzuerkennen. Jedoch ist hier darauf zu verweisen, dass das Kommunalabgabenrecht zahlreiche Maßnahmen einer ratierlichen Beitragszahlung kennt. Das Abgabenrecht selbst sieht die Möglichkeit einer Verteilung der Beitragslast auf bis zu 20 Jahre vor. Der dabei auferlegte gesetzliche Zinssatz beträgt derzeit 0,12 Prozent. Auf eine musterhaft berechnete Beitragsschuld von 30.000 Euro entspricht das einer monatlichen Rate von ungefähr 130 Euro. Somit ergibt sich aus der Belastung gegenüber den wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen kein materieller Einschnitt, der in der Kritik am Einmalbeitrag überzeugt und den Verwaltungsaufwand wiederkehrender Straßenausbaubeiträge rechtfertigt. Bereits die Vorbereitungshandlungen kosteten bis zur Einführung geschätzte 75.000 Euro. Weiterer hoher Verwaltungsaufwand lässt die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge zu einer dauerhaft defizitären Erhebungsform werden.

Eine rechtliche Überprüfung der Satzung steht in der Entscheidung eines jeden Beitragsschuldners. Sind die Argumente im Rechtsbehelf erfolgreich, könnte die Stadtverordnetenversammlung auf Jahre hinaus noch mit der Problematik befasst sein. Vielleicht eröffnet das den Weg zu einer Erkenntnis, dass auch die Erhebung von Beiträgen effizent sein muss. Die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge erfüllen diese Voraussetzung gerade nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Verified by MonsterInsights