Katjas Chance
Wie bereits in meinem letzten Artikel vom vergangenen Mittwoch angekündigt, folgt nun hier der zweite Teil meiner großartigen Moskau-Reise. Noch einmal zur Erinnerung: ich werde seit November von ganz vielen lieben Menschen begleitet, die mich darin unterstützen, meine MS zu bekämpfen. Im Februar war es soweit. Es haben mir so viele Menschen Geld geschenkt, dass ich nach Moskau reisen und dort eine 50.000€ teure Stammzelltransplantation durchführen lassen konnte. In diesem Teil werde ich Euch im Folgenden erzählen, wie dieses großartige Ereignis genau ablief.
Stammzellen fischen
Nach 2-tägiger, sehr gründlicher Untersuchung stand fest: ich bin gesund und der Behandlung steht nichts im Wege. Noch einmal wurde ich gefragt, ob ich diese Therapie machen möchte – natürlich! Ich hatte keinerlei Zweifel daran, meine MS besiegen zu wollen. Angst hatte ich nicht vor der Transplantation, sondern vor der MS!
Und so wurden mir also zunächst meine Stammzellen entnommen. Früher musste man dazu etwas vom Beckenknochen entfernen, weil die Stammzellen im Knochenmark sitzen. Heute werden diese mittels einer speziellen Injektion mobilisiert, sodass sie daraufhin im Blut abgefischt werden. Hier seht Ihr das Dialysegerät und mich im Kampfmodus:
4-Tage Chemo
Nachdem nach nur 5 Stunden genügend Stammzellen abgefischt waren, erhielt ich meine Chemotherapie. In vier Tagen wurde mein krankes, fehlgesteuertes Immunsystem komplett zerstört.
Die Wirkung entfaltet sich erst nach 7 Tagen, denn so lange lebt die Immunzelle bevor sie sich normalerweise nun erneuern würde – aber da sie mit Chemo infiziert ist, stirbt sie ab. Solange also hatte ich mein Immunsystem noch und musste noch nicht in Isolation.
Stammzelltransplantation
Nachdem die Chemo also vollbracht war, erhielt ich meine vorher entnommenen Stammzellen zurück. Es ist schier unglaublich: exakt vier Jahre zuvor, am 06.03.2015 erhielt ich meine MS-Diagnose – und nun am 06.03.2019 habe ich meine Stammzellen-Babys erhalten, meine Basis für ein neues Immunsystem! Für mich war das nicht nur ein faszinierendes Omen, sondern auch ein perfekt runder Abschluss einer MS-Ära. Dieser „Zufall“ macht meine Lebenswende für mich persönlich so authentisch!
Mein Stammzellgeburtstag – Verleihung der Iris
Es ist Tradition im A.A Maximov Pirogov Hospital, dass der Tag der Stammzelltransplantation als neuer Geburtstag gefeiert wird. Dr. Fedorenko hält dazu eine kleine Ansprache. Anschließend überreicht er einen Anstecker mit der Blume Iris als Symbol.
Die Iris symbolisiert Durchhaltekraft. Sie hat drei Blätter: eines für die Vergangenheit, in der wir mit der Krankheit lebten – eines für die Gegenwart, in der wir kämpfen – und eines für die Zukunft, in der wir ohne die Krankheit sind.
Mein Stammzellengeburtstag – Bye Bye MS
Eine weitere Tradition ist es, die MS „auszuschütten.“ Die zuvor entnommenen Stammzellen lagerten bei Minus 200 Grad in einem Sticksstoffbehälter. Dieser Stickstoff wird nun ausgeschüttet, dreimal. Damit soll die MS endgültig verabschiedet werden!
Mein Stammzellengeburtstag – Matroyshka
An meinem freien Tag in Moskau, habe ich mir eine Matroyshka gekauft. Matroyshka sind diese Puppen, die noch weitere immer kleinere Puppen in sich tragen bis zum Schluss eine letzte, ganz kleine Puppe zum Vorschein kommt.
Ich habe lange nach der richtigen Matroyshka gesucht, denn sie sollte mein persönliches Symbol für meinen Heilungsprozess werden. Und ich habe tatsächlich die perfekte und wie ich finde wunderschöne Matroyshka gefunden.
Ich interpretiere die Puppen wie folgt: Jeder einzelnen Matroyshka gebe ich einen Meilenstein, den ich erreichen möchte. Jede wird mich in dieser jeweiligen Phase begleiten. Angefangen von der ersten Hülle, die fällt. Auf ihr ist der Feuervogel abgebildet und ich schreibe ihm die Heilungsmagie zu. Er sitzt auf einem Baum mit Äpfeln (Stammzellen). Diese Hülle ist gefallen, als ich Moskau verlassen habe.
Die zweite Matroyshka symbolisiert die Ernte der Stammzellen. In diesem Prozess reorganisiert mein Körper gerade sein aktuelles Immunsystem. Das ist die Phase in der ich auf Keime achte, regelmäßige Blutbildkontrollen machen lasse und anfangs Mundschutz getragen habe.
Die dritte Matroyshka wird mich vermutlich am längsten begleiten, ich werde sie in den nächsten Tagen enthüllen. Auf ihr ist ein Schiff zu sehen. Mit ihr segel ich auf dem Meer der Regeneration: hartes Training, Reha, was auch immer notwendig ist, um den Stopp der MS zum Wiederaufbau zu nutzen. In dieser Zeit sind Rückschläge zu erwarten, einige Patienten sprechen von plötzlichen Spastiken usw. Die habe ich nicht, aber ich fühle mich momentan schwer wie ein Sandsack. Das ändert sich bald wieder. So wie die See eben ist, mal wild, mal gnädig. Auf zu neuen Ufern!
Die vierte Matroyshka zeigt Äpfel – meine Stammzellen. Mein neues Immunsystem. Stark und gesund! Und mein Zustand stabil. Wenn ich das erreicht habe…
… entpuppe ich den Kern – die kleine wunderschöne letzte Matroyshka. Sie trägt den Flügel des magischen Feuervogels im Herzen!
Mein Stammzellengeburtstag – Feuervogelkuchen
Es gibt einen sehr, sehr lieben Menschen vor Ort in Moskau, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich um die ausländischen Patienten zu kümmern: Alexey. Er ist zufällig im Rahmen einer Taxifahrt auf die Klinik aufmerksam geworden und dachte: mensch, diese Menschen kommen von überall auf der Welt und alles was sie von Moskau sehen ist dieses Krankenhaus – das muss ich ändern! Und so kam es, dass man mit Alexey nun eine Stadtrundfahrt buchen kann. Individuell und vollkommen auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst. Darüber hinaus kümmert er sich gerne darum, Telefonkarten zu organisieren oder: Geburtstagskuchen!
Der gerade einmal 15-jährige Sohn seiner Freundin wurde letztes Jahr zum besten Konditor Moskaus gekührt: und er hat mir diesen Kuchen gezaubert! Er sieht aus wie der Feuervogel auf meiner Matroyshka.
Ich habe meine liebsten Stammzell-Schwestern plus Angehörige eingeladen und wir haben zusammen gefeiert!
Es war eine ganz besondere Party – die beste, die ich je hatte! Wir hatten auf jeden Fall eine Menge Spaß in unseren Kitteln und mit unseren Partyhüten.
Und danach ging es für eine Woche in Isolation. Davon erzähle ich Euch nächsten Mittwoch. Liebe Grüße!
Wer übrigens etwas mehr über mich und meine Geschichte erfahren möchte, kann gerne meine Seite besuchen unter www.Katjas-Chance.de
Und unter www.Katjas-Chance.de/blog lest Ihr hin und wieder etwas über mein aktuelles Befinden und meinen Alltag. Außerdem findet Ihr auch ältere Blog Einträge, die meinen Aufenthalt in Moskau dokumentieren – unter anderem mit Videos zu meinem Stammzellen-Geburtstag. So können wir immer nochmal ein bisschen „nachfeiern“ 😉 Viel Spaß!