Finnek auf Entdeckungstour 1
von Helene Wilhelmine Hartmann
Eine Mäusegeschichte in drei Teilen
Kurzer Überblick
Finnek der Mäusebub kann die ganzen Warnungen über die Gefahren, die in der großen Welt auf ihn warten, nicht mehr hören. „Ja, ja, weiß ich längst. Ich bin doch schon groß.“ Dann findet er den geheimen Ausgang nach draußen in den Garten und ist auf sich allein gestellt. Schnell stellt sich heraus, dass er doch noch nicht so viel weiß. Mit etwas Dusel und großer Hilfe schafft er es noch glücklich nach Hause.
Während der Schelte seiner Mutter plant er schon das nächste Abenteuer. Er hat ja gerade den Garten erobert. In seinem Cousin Baro findet er den Kumpel, der sich mit ihm auf den Weg über die Wiese in den Wald macht.
Sie treffen auf viele neue Tiere, die sich häufig unerwartet verhalten. Diese kleinen Wendungen, die kontinuierliche Suche nach Essen und der Stolz eine „Gartenmaus“ zu sein, geben der Geschichte ein nettes Augenzwinkern. Schließlich machen die Abenteuer Finnek auch wirklich ein Stück größer. Als er dann wieder zurückgekehrt ist, weiß er das Zuhause besonders zu schätzen…
Teil 1
Die Augen auf
„Die Augen offen halten, damit nichts passiert. Das Leben ist voller Gefahren!“, ruft die Mutter. „Ja, ja, ja hab’ ich ja schon alles gehört. Ich werde schon aufpassen, denn ich bin ein schlauer Bub!, ein großer Mäusebub. Ich bin Finnek! Finnek mit den schwarzen Füßen und dem hellen Pelz.“
Und so lief Finnek los, um seine Umgebung zu erkunden. Was er da alles zu sehen bekam, die Regale im Keller hatten es ihm angetan: lauter Gläser mit gut riechendem Inhalt. Aber leider waren alle gut verschlossen und man konnte nichts probieren. Also ging Finnek weiter auf Erkundung. Hier und dort befanden sich Lebensmittel, die aufbewahrt wurden. Nach einer Zeit des Herumstromerns fand er eine Lücke im Mauerwerk, ein Loch, das nach draußen führte.
Seine Neugierde wuchs und er zwängte sich durch das Loch. Draußen angekommen, war er überwältigt von der Größe der Welt, von der die Mutter manchmal erzählte. Finnek rannte und guckte und sah. Er sah Blumen, die bunt waren und fliegende Tiere, die hoch in den Himmel flogen und Vögel die auf einem Ast saßen und sangen und pfiffen. Er sah Bäume, die riesengroß in den Himmel ragten und manche hatten so gut riechende runde Kugeln an den Ästen. Ob man die essen kann? Inzwischen hatte er Hunger bekommen. Er kletterte den Baum hoch, riss eine runde Kugel ab und biss vor lauter Hunger hinein. So etwas hatte er noch nie gegessen, mmh…, war das gut. Im Keller gab es das nicht; deshalb entschloss er sich, ab jetzt jeden Tag nach draußen in den Garten zu gehen, um noch mehr Neues zu sehen und zu lernen. Er war so von allem Neuen begeistert, dass er die Zeit vergaß und es dunkel wurde. Oweih…, jetzt musste er aber heim, die Mutter wird sich sorgen!
Er lief nun in die Richtung, von der er glaubte das Loch zu finden, wo er wieder in den Keller kommt, aber vergeblich, kein Loch, keine Lücke, nicht der kleinste Hinweis zu finden. Jetzt überkam ihn die Angst, was sollte er tun? Es wurde immer dunkler und er fand das Loch in der Mauer nicht mehr, um heim zu gehen. Von dem ewigen Hin und Her und der Angst, nie wieder heim zu finden, wurde er müde und er sehnte sich nach einem Plätzchen, um auszuruhen. Unter einem Baum waren ein paar herabgefallene Blätter, dort fand er ein Lager und ruhte sich aus. Die Augen vielen ihm zu und er schlief ein.
Die gute Gunda
Als es wieder hell wurde, wachte er auf und suchte gleich nach etwas Essbarem. Unter seinem Baum fand er eine herabgefallene rote Kugel. Die schmeckte ihm wieder so gut wie gestern. Jetzt war er gestärkt und konnte die Suche nach dem Mauerloch neu beginnen. Er suchte die Mauer ab, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wo er rausgekommen war. Wie konnte ihm das passieren? Er suchte an der Mauer von Ecke zu Ecke, oben und unten, aber er konnte nichts entdecken.
Nach einer Weile traf er eine große Spinne, die gerade an einem Netz arbeitete. „Darf ich mal stören?“, fragte er schüchtern. „Ja“, sagte sie, „wenn es etwas Wichtiges ist.“ Finnek erzählte schüchtern: „Ich suche schon tagelang ein Loch in der Mauer, dass in den Keller führt, aber ich hab es bis jetzt noch nicht gefunden. Von diesem Loch bin ich aus dem Keller gekommen und finde nicht mehr zurück. Meine Mutter wird sich Sorgen machen.“, erzählte er und fragte dann stockend: „Und wer bist Du?“
Die Spinne hielt ihre Arbeit an, schaute mit großen Augen die kleine Maus an. „Du bist also deiner Mutter ausgebüxt, sie weiß nicht wo du bist und macht sich Sorgen? Du findest nicht zurück, weil du das geheime Mäuse-Mauerloch nicht wieder findest und bist schon zwei Tage am Suchen? Ach ja, ich bin Gunda, die Kreuzspinne, die Meisterin der Fangnetze. Ich webe die feinsten Netze.“, erzählt Gunda ganz selbstverliebt und fragt schließlich: „Und wer bist Du?“
„Ich? Ich bin Finnek der große Mäusebub!“, antwortete Finnek keck. Gunda, überrascht von Finneks Forschheit, fährt fort: „Ja, ja, mein lieber Finnek, ich kann dir helfen. So kannst du den geheimen Eingang in den Keller auch nicht finden.
Du suchst auf der falschen Seite! Komm’ mit mir um die Ecke des Hauses, dort gehen wir dann fünf Netze lang nach rechts, da wirst du die geheime Maueröffnung finden, die in deinen Keller führt.“
Aufgeregt folgt Finnek Gunda um die Ecke und siehe da, wie die Spinne es beschrieben hatte, fand er den Kellereingang. „Danke!“, schrie er, rannte los und verschwand im Keller. Die Spinne wartete noch eine Weile, ob er auch wirklich daheim angekommen war. Und zum Zeitvertreib, als sie da so wartete, begann Gunda ein neues Netz zu bauen.
Inzwischen war er wieder zuhause bei der Mutter angekommen. „Das war nicht in Ordnung, was du gemacht hast!“, sagte die Mutter, „es hätte bös’ enden können. Aber hoffentlich hat sich dein Abenteuer gelohnt und du weißt jetzt, dass man immer wissen muss, wo man ist, wie man zurück kommt und ob man was zu essen und zu trinken findet und auch wo man sich mal ausruhen kann! Dann kann nichts schief gehen und man kann auch mehrere Tage ohne Eile unterwegs sein und viel Neues erleben. Ich hoffe, du hast daraus gelernt! Jetzt komm! Lass uns zu Abend essen, es gibt Hirsebrei mit Apfelmus. Guten Appetit!“
Ende Teil 1
Die Autorin
Helene Wilhelmine Hartmann ist 1921 in Süßwinkel in Schlesien geboren. Die fast 100-jährige ist 5-fache Mutter, 8-fache Großmutter und 6-fache Urgroßmutter. Schon ihr ganzes Leben liebt sie es, sich altersgerechte Kindergeschichten auszudenken und zu erzählen. Ihre Tierhelden sind alle liebenswert und in ihren Charakteren ganz schön menschlich. An den Geschichten rund um Finnek, den Mäusebuben schreibt sie immer mal wieder seit mehr als sechzig Jahren. Die Geschichten strotzen vor märchenhaften Begegnungen und kleinen Wendungen. Die Erzählweise ist augenzwinkernd. Meistens wird es ganz schön knapp für die Hauptfiguren, aber irgendwie schaffen sie es dann doch immer.
Die Illustratorin
Josephine Mayer-Hartmann aus Heidesheim am Rhein ist Mutter zweier erwachsener Söhne. Sie hat viele Jahre in Hamburg, meistens Altona verbracht und lebt derzeit in einem romantischen Fachwerkhaus auf der thüringischen Seite der Werra in der Nähe von Bad Hersfeld. Dort hat die Tierliebhaberin viel Platz und Muße für lange Spaziergänge mit Ihren Hunden. Häufig hat sie ihre Kamera dabei und mit dem Auge fürs Detail entstehen zauberhafte Makrofotografien der umgebenden Natur, die vielfach veröffentlicht sind. Die zarten Aquarelle zur Illustration der Finnek-Geschichten ist schon ihre zweite Arbeit für die Autorin.
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